Die Wahrheit: Ein Hubschrauberreport von Welt
… oder wie Erdmann Hummel unvermittelt als Retter auftritt. Eine Medienschelte nach schädlichem Dauerkonsum von Welt-TV.
Wer sich zeitweilig etwas genauer mit den deutschen Medien, vor allem mit dem deutschen Fernsehen beschäftigt, hat nicht viel zu lachen. Er hat viel zu kotzen.
Weil die Welt laut Ludwig Luhmann und Niklas Wittgenstein ja alles ist, was in den Medien der angebliche Fall ist, ist es ausnehmend lehrreich, zum Beispiel mal ein paar Tage lang das Programm des sogenannten TV-Senders „Welt“ in sich hineinzusaugen. Die Erkenntnisse darüber, wie heute im Dauerinformationstrommelfeuer „Wirklichkeit“ erzeugt wird, sind enorm – enorm enervierend. Die anschließende Zufuhr sedierender psychoaktiver Substanzen ist anzuraten.
Da kaspern und schnattern, sofern nicht das unerlässliche Saugerede über Börsenkurse aus der Kiste schwappt oder Militärpropagandastreifen abgenudelt werden, im „Newsroom“ an einem bemerkenswert hässlichen Halbrundtisch und vor saustarken „Shotoku-Robotic-Kameras“ (Eigendarstellung) irgendwelche „Moderatoren“ herum, die jeden Anflug von Dezenz und Besinnung derart konsequent auf dem Schuhabstreifer vor der Berliner Springer-Bruchbude hinterlassen haben, dass einem der abgewrackteste Lude wie der Ausbund des Schiller’schen Bildungsideals dünkt.
Bei der Verfertigung eines simplen deutschen Satzes aufs Erbärmlichste zu scheitern und dabei zu gickern, als sei man just von einer WG-Kifferparty hereingeschneit, scheint Eignungsvoraussetzung zu sein. Die Überleitungen zur hochhumorigen „Wetterfee“ sind schließlich obligat von einer geradezu galaktisch zwanghaften, spießigen Lustigkeit, die das Lachen, zählte es nicht zu den humansten Ausdrucksformen, ein für alle Mal als Beleg niederster Haltung und höchster Doofheit diskreditierten.
Das Moma
Man ist ja mit den Hampel- und Gackerzombies im öffentlich-rechtlichen „Morgenmagazin“ im Grunde bereits ausreichend gepeinigt. Was die dort enthemmt ihrer Unfähigkeit frönenden Gestalten zur Aufführung bringen, hat mit Journalismus so viel zu schaffen wie das kleine Einmaleins mit der Quantenphysik. Aber im Januar 2000 an den Start gegangenen Welt-Ramsch- und -Bumsfallerafernsehen haut der Moderator Carsten Hädler, unaufhörlich durchgedreht-überdreht betonend und halb stöhnend, halb wiehernd, sämtliche verbliebenen Rudimentärmaßstäbe dessen zu Klump, was früher als Nachrichtenvermittlung galt. Der strammste Gläubige unterhält ein innigeres Verhältnis zur Philologie, die sich mit der Genese der heiligen Schriften befasst, als dieser Hädler zur Approximation an die Wahrheit.
Deutsche Medien, das sind, pars pro toto, das Portal t-online und Carsten Hädler, dieser Phrasenventilator, diese Schlammschleuder, dieser Sprachsimulant. Wir wollten hier ein paar Zitate präsentieren, doch uns ekelt’s. Es genügt der Hinweis, dass die Berliner Bollerbirne vormals „Deutschlands erster Hubschrauberreporter“ (Wikipedia) war, wobei man sich fragt, was ein „Hubschrauberreporter“ sein mag. Reporter, die in Hubschraubern hocken und von ihrer luftigen Warte aus ein Geschehen kommentieren, sind mindestens seit dem Vietnamkrieg bekannt. Oder frönte Hädler einst seiner Passion, über Hubschrauber zu berichten, tage-, wochen-, monatelang einfach über Hubschrauber, Hubschrauber und Hubschrauber zu berichten, im Dienste der begeisternden Berichterstattung über Hubschrauber?
Wir skizzieren die „Linie“ Hädlers und seiner kaum minder perfiden Kollegen jedenfalls konzis: Der Russe ist der Teufel, das ukrainische Volk bewundernswert tapfer, die Führung in Kyjiw aufrichtig und grundlauter, der Westen rettet die Welt, je mehr Schießmaschinen, desto eher Frieden, und der Anton Hofreiter wird „Toni Hofreiter“ geheißen, woraufhin der Toni via „Leitung“ entfesselt seinen Panzerfetisch dokumentieren darf, als gebe es tatsächlich kein Morgen.
Womöglich ist das Fernsehen in Italien oder in den USA noch dümmer, schmutziger, impertinenter, unsereinem langt das Welt-TV, in dem sich Offiziere a. D. und anderweitige „Wehrexperten“ an Waffengattungen, Stückzahlen und Vernichtungspotenzialen aufgeilen, am besten vor der größenwahnsinnigen LED-Wand, auf der Truppenverschiebungsvorgänge und Frontverläufe illustriert werden.
Wichs
Herbert Marcuse sagte, obszön sei ein General in vollem Wichs. Obszön ist aber auch die gutgelaunte Vollbescheidwisserei, ist die ideologische Anfeuerung der Regenten, das auftrumpfende Gejuchze aus einem Hades, den man Fernsehstudio nennt.
Draußen in der Welt von Welt-TV laufen obendrein „Reporter“ herum, die entweder Universalgenies oder vollständig schamlose Aufschneider sind, denn sie melden sich jeweils und alternierend von egal welchem Ort der Erde, um fachmännisch Auskunft über die jeweilige „Lage“ und zu dite und date zu geben, sehr gerne mit Soldatenhelm auf der Rübe, weil das der aktuelle Radical Chic im Zeichen der absoluten Selbstaufgabe als ernstzunehmende Person ist.
Steht etwa Daniel Koop nicht vor Gerichten, Vireninstituten, Kanzlerämtern oder Absperrbändern der Polizei, hängt er heute im Ahrtal, morgen in Argentinien und übermorgen in der Ukraine ab, um seine „Expertisen“ abzusondern, und niemand zeigt ihm einen Vogel. Koop, ein Bubi aus einer Publizistenschule oder einem Kinderhort, hat zu allem und jedem eine Meinung in der Hosentasche, kennt sämtliche Hintergründe, lotet jedweden Sachverhalt profund aus, wälzt nachts im Hotelzimmer Kommandobeurteilungen und morgens Fußballtabellen, und sobald er auf „Schalte“ ist, knattert das gesamte Wissen der Menschheit aus ihm heraus, und irgendwer muss das, tja, für Journalismus halten, da es aus dem Fernsehapparat kütt.
Hielte man dergleichen nicht für einen höhnischen, dem Zustand der kaputtkapitalisierten Welt indes angemessenen Scherz, man verzweifelte oder riefe den Presserat an. Allein, Rettung naht bekanntlich stets in höchster seelischer Not, und am 6. Januar ward auf Welt-TV anlässlich des Dreikönigstreffens der FDP plötzlich ein Erklärbrummbär ins Livebild gehievt, der den Namen Erdmann Hummel trägt. Ja: Erdmann Hummel. Ein Hauch von Märchenhaftigkeit oder von Metaphysik erfüllte unsere bescheidene Stube: Herr Erdmann Hummel – die pelzige, gelbgestreifte, friedliche Erdhummel des deutschen Fernsehens, des deutschen Welthirnjauchebetriebs.
Erdmann Hummel, Herr Erdmann Hummel. Am Ende gewinnt immer Eichendorff. Alles war gut. Unglaublich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung