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wortwechselDie Protestform überdenken

Provoziert soziale Bewegung stets staatliche Repressionen? Es muss nicht immer der gewaltbereite Widerstand sein. Auch die taz fordert noch mehr Waffen für die Ukraine

Oh Tannenbaum! Klimaaktivisten von „Aufstand der letzten Generation“ kappen den Weihnachtsbaum am Brandenburger Tor in Berlin Foto: Florian Boillot

Ziviler Ungehorsam

„Niemand ist so staatsgläubig und demokratiefestigend wie die ' Letzte Generation' “,

wochentaz vom 17. – 23. 12. 22

Ulrike Herrmann hat in ihrem Leitartikel endlich mal gesagt, was Sache ist! Mit Gruseln habe ich in den vergangenen Wochen die Unfähigkeit und Ignoranz der Leitmedien und der Mehrzahl der Politiker wahrgenommen, mit der „Letzten Generation“ umzugehen. Noch nicht mal ein Hauch von Verständnis wurde gegenüber der „Letzten Generation“ zum Ausdruck gebracht. Keinenerlei juristische Güteabwägung zwischen „Recht auf zivilien Widerstand“ und „Strafrecht“ – noch nicht mal vom Justizminister. Nur in Sonntagsreden wird vielleicht mal zum Ausdruck gebracht, man müsse die Bürger abholen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Hinsichtlich der „Letzten Generation“: absolute Fehlanzeige. Stattdessen: nur Einschüchterungsversuche! – Kaum einer hat den Horizont, die „Letzte Generation“ mal im Kontext der Tradition von „zivilem Ungehorsam“ zu diskutieren.

Stefan de Greef, Hannover

Verhältnismäßigkeit

„Warum Empörung über die Razzien gegen die ' Letzte Generation’ falsch ist“,

wochentaz vom 17. – 23. 12. 22

Wer die Ziele der „Letzten Generation“ teilt, darf durchaus Kritik üben. Dabei ist die Verhältnismäßigkeit stets zu beachten. Vergleiche sind unangebracht, weil es sich bei der Klimaentwicklung um etwas Endgültiges für unsere Welt handelt. Die Razzien wirken als Ablenkungsmanöver von den Razzien im rechten – Reichs­bür­ge­r:in­nen – Millieu sowie von ebensolchen bei korrupten Par­la­men­ta­rie­r:in­nen und deren Umfeld. In beiden letztgenannten Feldern ist ein tieferes Betrachten weit notwendiger. Daher ist für mich falsch, die „Letzte Generation“ in dieser Weise kritisch hervorzuheben. Wenn die ausführliche Beschäftigung sowie die Kritik in den Medien abflaut, eröffnet sich die Notwendigkeit der inhaltlichen Beschäftigung mit deren Forderungen, dem politischen Prozess und der Klimakatastrophe. Es wird immer enger und alle müssen sich bewegen. Rolf Scheyer, Köln

Alternativen

„Immer noch krasser“,

wochentaz auf taz.de vom 18. 12. 22

„(…) die Geschichte sozialer Bewegungen und ihrer staatlichen Repression (…)“, das klingt so, als könnte es das eine nur mit dem andern geben. Und weiter im Text bekommt man auch das Gefühl, dass es nur die Protestform gibt, welche auch von der „Letzten Generation“ angewendet wird. Es gibt und gab allerdings schon genügend Demos, welche politisch etwas bewirkt haben. Oder medienwirksame Sendungen wie das „ZDF Magazin Royale“. Es muss nicht der gewaltsame Widerstand sein, um etwas erreichen zu können.

MOPSFIDEL auf taz.de

Protestform

„Ungehorsam, aber zivil“,

taz vom 10. – 16. 12. 22

Ob die Wahl des Protest, das Sichfestkleben auf der Straße, vom eigentlichen Ziel, die Regierung zu radikaleren Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen, ablenkt, ist die eine Frage. Aber die mediale Aufregung darüber lenkt auch noch von etwas anderem ab, nämlich der Frage, ob die Forderungen der „Letzten Generation“ tatsächlich alle sinnvoll für den Klimaschutz sind. Die Forderung nach Einführung eines 9-Euro-Tickets klingt sehr (öko)logisch, aber sie sendet das falsche Signal, nämlich, dass staatlich organisierter Umweltschutz nicht teuer sein muss. Doch das Gegenteil ist der Fall, er ist und wird viel Geld kosten. Es fragt sich auch, ob es tatsächlich Autofahrer, die an einen gewissen Platzkomfort in privater Atmosphäre gewöhnt sind, zum Nutzen des Öffentlichen Personennahverkehrs bringt, wenn diese dann meist, wie in diesem Sommer, „tokyotisch“ voll bis überfüllt sind.

Wolfram Hasch, Berlin

Einheitsfront

„Gegen eine slawische Demokratie“, wochentaz vom 17. – 23. 12. 22

Die Ukraine eine Demokratie? Fast alle demokratischen Parteien sind verboten, mit Ausnahme der nationalistischen Parteien. Ganz zu schweigen davon, dass die derzeitige Regierung durch einen US-gestützten Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch an die Macht kam.

Fast die Hälfte der Bevölkerung spricht Russisch: Ja, das stimmt. Aber der Gebrauch von Russisch als offizielle Landessprache ist per Dekret verboten. Warum reiht sich die taz seit Monaten ein in die unerträgliche Einheitsfront, die nichts anderes weiß, als immer mehr Waffen für die Ukraine zu fordern? Wo ist der analytische Artikel in der taz, der einen Weg zu Friedensverhandlungen und zu einer Europäischen Friedensordnung unter Einschluss Russlands aufzeigt und diskutiert?

Hans-Peter Piepho, Ostfildern

Prohibition

„Ein vollständiges Nikotinverbot geht zu weit“, wochentaz vom 17. – 23. 12. 22

„Wo geraucht wird, ist es lustiger und kommunikativer“? Dieses Märchen von angeblichen Spaßbremsen und „Nikotin-Bäh-Taliban“ über Nicht­rau­che­r*in­nen brauchen Süchtige anscheinend, um sich in die Tasche zu lügen. Schnell mal „die anderen“ diskreditieren und schon erscheint die Sucht als das sozial Wertvollere. Über den Sinn von Prohibitionen diskutieren geht auch ohne Herabsetzen von Menschengruppen.

Elisabeth Buck, Walsdorf b. Bamberg

Schutzstatus?

„Dolly und der Wolf“,

taz vom 10. – 16. 12. 22

Im Untertitel des Artikels „Dolly und der Wolf“ lese ich: „Ursula von der Leyens Lieblingspony wurde von einem Wolf gerissen. […] Die EU-Kommissionspräsidentin will jetzt den Schutzstatus der Raubtierart überprüfen.“ Darunter ist ein Bild von von der Leyen mit ihrem Pony. „Skandalös!“, denke ich mir, und entscheide mich, den Rest des Artikels zu lesen.

Erst in der zweiten Hälfte des Textes werde ich aber aufgeklärt: „Das nun von der Leyen wegen ihres Ponys den Wölfen an den Kragen will, wie das einige Medien suggeriert haben, ist unwahrscheinlich“. Äh? Ich bin verwirrt. Entweder das eine oder das andere: Die Überprüfung des Schutzstatus des Wolfes seitens von der Leyen und der CDU-Europaabgeordneten ist eine Nachricht, die die Seite 7 der taz (Teil „Politik“) verdient hat, oder die taz hielt die Fake News doch wie „einige Medien“ für sich und ihre Le­se­r:in­nen für unwiderstehlich.

Andrea Moriondo, Hamburg

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