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Ausgehen und rumstehen von Paula Marie KehlBald am Kölner Dom knabbern

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Dieses Wochenende stellt sich ein unerwartet vorweihnachtliches Gefühl ein. Das Weltgeschehen ist schnell und laut, das Wochenende in meiner weihnachtlichen Blase ungewohnt entschleunigt und still.

Am Freitagabend suche ich mir auf dem Fahrrad und mit Handy in der Hand erneut meinen Weg durch Charlottenburg. Ich bin nach langer Zeit mit einer alten Freundin aus der Oberstufenzeit verabredet. In der Schule hat uns vor allem das Unverständnis für Mathe und derselbe Nachhilfelehrer verbunden. I. studiert Produktdesign und trägt an dem Abend spitze Lederstiefel. Sie lebt seit zwei Jahren in Berlin. Zu dritt wohnen sie in einer verwinkelt geschnittenen und gemütlichen Altbauwohnung.

Mit der befreundeten Nachbarinnen-WG geht es zum Weihnachtsmarkt, auf dem ich noch nie war. Es kommen noch weitere Freunde hinzu und irgendwann sind wir zu acht. Es fühlt sich leicht und unkompliziert an in der großen, mir unbekannten Gruppe.

Die Vorstellung vom Weihnachtsmarkt hält, was sie verspricht: keine Überraschungen und eine seltsame Vertrautheit in ihrer Atmosphäre, die alle Weihnachtsmärkte verbindet. Hier treffen Menschen in ihrer Sehnsucht nach Leichtigkeit und nach Ablenkung von der alltäglichen Schwere aufeinander. Erwachsene Menschen erfreuen sich am Schlittschuhfahren und ihre Gesichter erzählen in ihrem Ausdruck von kindlicher Freude.

Der Weihnachtsmarkt glänzt in seinem Fett: Ich teile mir mit I. und ihrem Freund versalzene Nudeln, gewendet in einem Parmesanlaib. Nach einem Glühwein quetschen wir uns zu acht in eine geschlossene Kabine des Riesenrads. Hier ist es warm und zu eng. Die Person links neben mir spricht von Klaustrophobie, die rechts von mir von Höhenangst. Und schließlich bin ich es, die sich anfangs kaum traut, einen Blick hinauszuwerfen, je höher wir kommen. Da meine Angespanntheit im Zweifelsfall aber auch nicht einen möglichen Defekt des Riesenrads verhindern wird, entspanne ich mich in die überschaubare Dauer der rotierenden Ungewissheit hinein.

An Ständen wie „Herrenaccessoires“ und „Kalter Hund Variationen“ vorbei machen wir uns auf den Weg zum Kettenkarussell. Für mich der Inbegriff der Leichtigkeit. Hier bekommt Sich-im-Kreis-Drehen einen seltenen Sinn. Vom angenehmen Schwindel im Kopf, der nicht vom Alkohol kommt, und von der hartnäckigen Kälte bin ich müde geworden. Nach einem süßen Crêpe bringen mich I. und die verbliebenen drei Freunde zur Haltestelle. Mit Liebe in der Brust und auftauenden Füßen in der S-Bahn fahre ich zu meinem Fahrrad, das ich vor dem Haus von I. abgestellt habe.

Von dort aus geht es nach Hause. Ich stelle erneut fest, dass Wege sich deutlich kürzer anfühlen, wenn man sie kennt, und Radfahren stabiler ist ohne Handy in der Hand.

Am Samstag verbringe ich Zeit mit meinen beiden jüngeren Cousins. Wir machen klassische Ausstechplätzchen bei klassischer Musik und klassischem Geschwisterstreit. Mein 11-jähriger Cousin möchte seine eigenen Plätzchen machen und trennt seine akribisch von meinen und denen seines Bruders, um sie nicht miteinander zu vermischen. Nach kurzer Diskussion und altbekanntem Türenknallen stechen wir weiter friedvoll Plätzchen in Form des Berliner Fernsehturms, des Kölner Doms und des Förderturms in Essen aus.

Bildung spielt in diesem Haushalt eine große Rolle und spart das Plätzchenbacken dabei nicht aus. Der Tag endet mit einer gerechten und sehr sorgfältigen Aufteilung der bunten Kekse in die großen Metalldosen und tiefen Teller.

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