Ausgehen und rumstehen von Andreas Hartmann: Die Rösinger als Gesamtkunstwerk und der Volksentscheid
Mal schauen, von welchen Popgrößen ich Songtextbücher im Billy-Regal stehen habe: eins von den Beatles und eins von Bob Dylan, dem Nobelpreisträger. Und dazwischen steht jetzt noch das von Christiane Rösinger. Berlins Entertainment-Königin hat nun auch ganz offiziell den Status eines Klassikers.
Und das musste am Wochenende im Südblock Kreuzberg mit einer Mischung aus Buch-Release-Show, Weihnachtsfeier und Flittchenbar-Revival-Party gefeiert werden. Regelmäßg findet die von der Rösinger gehostete Flittchenbar ja nicht mehr statt, das läuft jetzt eher so wie bei „Wetten, dass …?“: sich rar machen und damit den Eventfaktor erhöhen, wenn sie dann doch mal stattfindet – auch wenn sie sich gar nicht mehr so nennt.
Das Konzept des Abends war dem Anlass entsprechend ebenfalls darauf ausgerichtet, Rösingers Schaffen und Wirken als zeitlos gültig zu bewerten. Es traten sozusagen Rösinger-Tribute-Acts auf, die persönliche Lieblingssongs aus dem Oeuvre der Berliner Legende coverten, die es sich natürlich nicht nehmen ließ, selbst durch den Abend, und man kann fast schon sagen: durch die Nacht zu führen.
Und das war wirklich ein großer Spaß. Hans Unstern etwa erarbeitete konzentriert und voller Hingabe eine zerbrechlich intime Version von „Ich bin 2 Öltanks“. Und hatte sogar den Songtext parat, ohne dafür extra in Rösingers neues Buch spicken zu müssen. Andere freilich waren nicht immer ganz so textsicher. Und dann wurde sich auch noch ständig mal verspielt oder man traf die Töne nicht so richtig, aber genau das trug zur gelösten Weihnachtsparty-Atmosphäre bei. Routiniert durchgespielte Konzerte erlebt man viel zu oft, hier dagegen wusste man nie, was als Nächstes passiert. Und das galt für das Publikum genauso wie für diejenigen, die auf der Bühne standen.
Und man lernte sogar noch etwas als Rösinger-Exeget bei diesem Event. So wusste ich beispielsweise nicht, dass niemand Geringerer als Steven Spielberg ganz offensichtlich Fan der Lassie Singers ist. Der hat immerhin für seinen Dinosaurierschinken „Jurassic Park“ den Titel „Mein zukünftiger Ex-Freund“ für einen Dialog in seinem Film adaptiert. Behauptete jedenfalls die Rösinger, und die wird es schon wissen. „Ex-Freund“, dargeboten als Chorversion, war dann übrigens wirklich auch sehr gut.
Die Rösinger ist inzwischen ja nicht nur Sängerin, Songwriterin und Gesamtkunstwerk, sondern auch Mietrechtsaktivistin mit eindeutigen Sympathien für Deutsche Wohnen & Co enteignen. Deswegen hatte ich die leise Hoffnung, sie am Sonntagnachmittag beim „gemietlichen Winterfest“ im Friedrichshainer Kultur- und Nachbarschaftszentrum Rudi zu treffen.
Aber da war sie nicht, musste sich wahrscheinlich erst einmal erholen von der anstrengenden Show am Vorabend.
Die Anliegen der Volksentscheidinitiatoren mit einer Art Weihnachtsmarkt zusammenzubringen, das war die Grundidee im Rudi. Geboten wurde beispielsweise ein „Mithai-Gruppenspiel“, und in einer Bastelecke konnte man „stadtpolitische Weihnachtsgeschenke“ fertigen. Die Adventszeit muss schließlich genutzt werden, um den Leuten noch einmal klar zu machen, dass bei der letzten Wahl der Volksentscheid zwar angenommen wurde, seitdem jedoch alle Parteien außer der Linken mehr oder weniger so tun, als hätte es diesen nie gegeben. Als sozusagen nachgereichtes Weihnachtsgeschenk darf man demnächst aber ja noch einmal an die Wahlurne.
Und im Rudi wurde einem noch einmal eingetrichtert, dass man sich als Volksentscheid-Umsetzungsbefürworter sehr genau überlegen sollte, wen man dann wählen wird. Von der Regierung in der aktuellen Konstellation sollte man sich diesbezüglich jedenfalls nichts versprechen.
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