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doppelblindEin Erfolg für das Observatorium im Südpoleis

Die Frage

Neutrinos gehören zu den Elementarteilchen, also den kleinsten, unteilbaren Bausteinen von Materie. Die hochenergetischen Teilchen entstehen im Weltraum dadurch, dass Protonen oder Atomkerne mit Materie oder Strahlung kollidieren und andere Partikel erschaffen, die später in Neutrinos und Gammastrahlung zerfallen. Um die grundlegenden Prozesse innerhalb des Universums zu verstehen, versuchen As­tro­no­m*in­nen deshalb herauszufinden, wo genau Neutrinos entstehen und welche Beziehungen sie zueinander haben. Neutrinos sind besonders interessant, weil sie durch dichte Umgebungen reisen können.

Das Problem: Neutrinos sind unsichtbar für die Instrumente, die seit Jahrtausenden zum Sternegucken genutzt wurden: Teleskope. Wis­sen­schaft­le­r*in­nen mussten also ein anderes Instrument erfinden, und das liegt in bis zu 2,5 Kilometern Tiefe im Eis des Südpols vergraben und heißt IceCube Neutrino Observatorium. Innerhalb eines Kubikkilometers durchsichtigen Gletschereises können beim Durchflug von Neutrinos Myonen entstehen, die Lichtblitze verursachen. Ein Trick, um die Neutrinos erfassbar zu machen: Diese Lichtblitze werden von 5160 optischen Modulen erfasst, die ins Eis getrieben wurden.

Die Studie

Ein internationales Team aus For­sche­r*in­nen hat mithilfe der Daten des IceCube nun solche mutmaßlich durch Neutrinos verursachten Myonen-Lichtblitze, sogenannte Neutrino-­Ereignisse, gefunden, die sie auf die Galaxie Messier 77 zurückführen. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Schwierig macht die Beobachtung von Neutrinos, dass die gemessenen Myonen auch dann entstehen, wenn kosmische Strahlung mit Atomkernen der oberen Atmosphäre reagiert. Die For­sche­r*in­nen haben deswegen etwa 670.000 potenzielle Neutrino-Ereignisse in den Daten des IceCube gefunden. Um die Neutrinos herauszufiltern, die von Messier 77 kommen, haben sie jedes Ereignis auf seine Energie, Richtung und die Unsicherheit des Eintrittswinkels hin analysiert. Übrig blieben 79 Neutrino-Ereignisse, die die For­sche­r*in­nen mit großer Sicherheit auf Messier 77 zurückführen.

Neue wissenschaftliche Studien stellen wir jede Woche an dieser Stelle vor – und erklären, welchen Fortschritt sie bringen.

Was bringt’s?

Modellierungen haben schon vorher vermuten lassen, dass Messier 77 Neutrinos ausstößt. Die Ergebnisse der For­sche­r*in­nen bekräftigen diese Vermutung nun. Interessant ist das, weil man bisher davon ausging, dass nur Galaxien mit „lauten“ Galaxiekernen, die viel Strahlung verursachen, auch Neutrinos ausstoßen. Messier 77 hat jedoch einen „leisen“ Galaxiekern, der wenig Strahlung ausstößt. Die Ergebnisse sind auch ein Erfolg für internationale Forschungskooperationen: Das Team, das den IceCube am Südpol betreibt, besteht aus Wis­sen­schaft­le­r:in­nen von 58 Instituten aus 14 verschiedenen Ländern. Jonas Waack

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