piwik no script img

Archiv-Artikel

„Andere Leichtigkeit“

LITERATUR-FESTIVAL „Poetry on the Road“ kommt ohne Gedicht von Günter Grass, dafür mit viel Gerede

Von JPB
Regina Dyck

52, Literaturwissenschaftlerin, leitet mit Michael Augustin das Festival „Poetry on the Road“.

taz: Wie viele Gedichte müssen wir auf dem Festival erwarten, die mit einem langjährigen Schweigen brechen?

Regina Dyck: Von dem chinesischen Autor Liao Yiwu hören wir zwei Gedichte: Eins ist eine Essenz seiner vierjährigen Haft. Er war nach einem Gedicht über das Massaker auf dem Tiananmen-Platz verhaftet worden. Das andere Gedicht stammt von Li Bifeng, der mit ihm befreundet ist und ins Gefängnis kam, weil er sich für ihn eingesetzt hat. Damit brechen wir das Schweigen.

Nach der breiten Diskussion über Gedichte von Günter Grass – kann man mit Poesie heute mehr Leute erreichen?

Vielleicht hat die Bevölkerung dadurch für Poesie tatsächlich ein anderes Bewusstsein bekommen. Viele haben nur schlechte Erinnerungen daran, aus ihrer Schulzeit. Aber in vielen Ländern ist Lyrik die wichtigste Gattung, weil damit unmitttelbar Botschaften verbunden sind.

Wie unterscheiden sich die Themen der Autoren von Land zu Land?

Es wäre ein gutes Experiment, ob man erkennen könnte, welches Gedicht von welchem Autor ist. Oft merkt man es. Chiwoniso Maraire beschreibt die desolate Situation in Simbabwe. Sie beklagt die schreckliche Verhältnisse dort, politisch, wirtschaftlich, die Lage der Frauen. Jaap Blonk hingegen wird ein Laut-Gedicht vortragen, das heißt „Der Minister bedauert derartige Äußerungen“. Er spielt mit dem Text, singt, trägt es solange vor, bis nur noch die Konsonanten stehen bleiben. Im Grunde ist es zeitlos, universell. Auch bei Ronny Someck kann ich es im Grunde nicht erkennen. Man würde denken, jemand der im Irak geboren ist und in Israel aufgewachsen, muss politische Gedichte schreiben. Eines seiner Gedichte geht um eine besondere Frau, die er kennengelent hat.

Ist junge Poesie weniger ernst ?

Viele junge Autorinnen und Autoren habe Witz und Ironie, sie arbeiten mit Musikern zusammen, kommen aus dem Hip-Hop. Sie haben eine andere Leichtigkeit als Autorinnen und Autoren aus den 50er-, 60er-Jahren, die man mit einer Wasser-Glas-Lesung assoziiert.  Int: JPB

Bis 4. 6. „Pre-Launch“: 19 Uhr, Galerie Kramer, Vor dem Steintor 46

www.poetry-on-the-road.de