„Ich trauere den alten Zeiten nicht nach“

POP Mit ihren Album „Sweet Silence“ kehrt die Musikerin Barbara Morgenstern zurück auf den Dancefloor. Ein Gespräch über die innere Souldiva, Tanz nach dem Frühstück, das Musikmachen als Mutter und Berliner Luxus

■ „Sweet Silence“ hat Barbara Morgenstern ihr neues Album getauft, aber wirklich still ist das nicht geworden. Nachdem die 41-Jährige, die in der Wohnzimmer-Szene der Spätneunziger bekannt wurde, zuletzt immer akustischer wurde, hat sie nun den Dancefloor wiederentdeckt. Sanft, aber trotzdem satt rollen die Bässe, das Tempo ist mittelschnell und die Disco darf noch einmal schimmern. Vor allem aber singt Morgenstern, die mittlerweile Mutter einer dreijährigen Tochter ist, nun Englisch und expressiv wie niemals zuvor. Die in Hagen aufgewachsene Wahlberlinerin, seit 2007 Leiterin des Chors des Hauses der Kulturen der Welt, befindet sich auf dem besten Weg zur Souldiva. (to)

INTERVIEW THOMAS WINKLER

taz: Frau Morgenstern, hat Sie die Midlife-Crisis erwischt?

Barbara Morgenstern: Ach, Midlife-Crisis möchte ich das nicht nennen. Nennen wir es lieber eine Umbruchphase im mittleren Lebensabschnitt.

Ist das nicht nur ein anderes Wort für denselben Zustand?

Es kommt ja in erster Linie darauf an, wie man diesen Zustand erlebt. Ob man sagt: Bei mir bricht jetzt alles zusammen. Oder ob man die Veränderung annimmt und versucht, das Beste draus zu machen.

Ihr neues Album allerdings klingt ziemlich sentimental. Wie eine melancholische Erinnerung an vergangene, ekstatisch durchtanzte Nächte.

Das ist interessant. Denn ich empfinde dieses Album als sehr fröhlich. Ich wollte dieses Mal nicht so viel nachdenken. Meine Maxime war: einfach mal machen. Anfangs hatte ich noch überlegt, noch akustischer zu werden, in die konzertante Richtung zu gehen, die das Album davor hatte. Dann hatte ich auch mal die Idee, ein Album mit Songs in allen möglichen verschiedenen Sprachen zu schreiben, aber das war mir dann zu konzeptionell. Schließlich habe ich mich entschieden, es möglichst einfach zu halten und diesmal wieder tanzbare Musik zu machen.

Diese Rückkehr auf den Dancefloor klingt auch sehr konzeptionell, fast abgeklärt – ist das Techno für Erwachsene, für Eltern, die sich nicht mehr die Nächte um die Ohren hauen wollen?

Das war zwar ganz und gar nicht meine Absicht. Aber wenn es so sein sollte, dann wäre das doch schön. Ich bin schließlich selbst mittlerweile Mutter.

Techno für Eltern, gibt es da womöglich eine wachsende Zielgruppe?

Vielleicht. Tatsächlich entstehen ja neuerdings immer mehr Early-Bird-Angebote. After-Work-Partys gibt es ja schon länger, aber nun gibt es auch immer mehr Partys, die schon am Abend beginnen und nicht erst nach Mitternacht. Und in manche Clubs kann man am Wochenende schon tagsüber gehen. Ich hab Freunde, die gehen nach dem Frühstück tanzen und kommen dann abends pünktlich ins Bett.

Ihr Gesang ist sehr beseelt. Haben Sie den Soul entdeckt?

Den musste ich nicht erst entdecken, ich stehe schon sehr lange auf R&B.

Damit liegen Sie gar nicht im Trend.

Man kann sich doch nicht danach richten, was gerade angesagt ist, da würde man doch wahnsinnig werden. Ich habe mich auch nie als Liedermacherin gesehen. Meine Wurzeln liegen nun mal eindeutig im Club-Kontext – und in diese Richtung wollte ich auch wieder entschiedener gehen, darauf hatte ich Lust. Ich habe wegen meiner Tochter ein Jahr Pause gemacht und genieße seitdem das Musikmachen mehr als vorher.

Während des Babyjahrs haben Sie gar keine Musik gemacht?

So gut wie nicht. Das ging nicht. Man ist so mit dem Kind beschäftigt, dass man keine Kapazitäten hat, sich wirklich in die Musik zu vertiefen. Von halb zehn bis halb elf Uhr abends, wenn das Kind im Bett und der Tag vorbei ist, das reicht nicht.

Wie erleben Sie Berlin, verändert sich die Stadt, ist sie noch aufregend?

Aufregend, das weiß ich doch nicht. Mit dem Kind sieht mein Nachtleben ganz anders aus, das Ausgehen hat sich auf ein Minimum reduziert. Aber was immer noch großartig ist für mich, dass Berlin so viele Möglichkeiten bietet, mit verschiedenen Leuten und Projekten zu arbeiten. Und wer nicht sowieso hier lebt, der kommt regelmäßig vorbei. Mal mache ich am HAU Theatermusik für das Rimini Protokoll, dann leite ich schon seit fünf Jahren den Chor des Hauses der Kulturen der Welt. Da arbeiten wir mit immer neuen Musikern, aber auch Künstlern zusammen. Einmal haben wir für ein Projekt das Starten und Landen eines Flugzeugs gesungen, das war großartig.

Und was ist mit dem allseits apostrophierten Clubsterben?

Das kann ich nicht erkennen. Klar, manche Clubs schließen, aber andere machen dafür neu auf. Es gibt doch genug neue Clubs, etablierte wie das Berghain, aber auch das Kater Holzig kennt man inzwischen am anderen Ende der Welt. Die Szene wandert eben, aber das sorgt auch für neue Ideen. Wenn man wie ich öfter mal unterwegs ist, dann lernt man diese Stadt umso mehr zu schätzen. Im Vergleich zu New York ist das doch hier purer Luxus: Ich kann mir ein Studio leisten, ich habe eine große Wohnung, noch ein Häuschen in der Uckermark – und ich lebe von der Musik eigentlich auf kleiner Flamme.

Aber es wird immer schwieriger, oder?

Ja, klar. Ich lebe hauptsächlich vom Chor, von den Auftritten und dem gelegentlichen Theaterauftrag. Aber bei dieser Platte gehe ich tatsächlich jetzt selbst ins Risiko. Was früher eine Plattenfirma übernommen hätte, das bezahle ich jetzt von meinem Ersparten. Aber ich sehe das als Investition – eine Investition in mich selbst. Aber ich trauere den alten Zeiten nicht nach.

■ Barbara Morgenstern: „Sweet Silence“ (Monika Enterprise/Indigo), live: 1. 6., HBC