: Zapatisten rufen Alarmzustand aus
Die Rebellen im südmexikanischen Chiapas schließen ihre legalen Stützpunkte und ziehen sich in die Berge zurück. Eine Begründung geben die Zapatisten nicht. Die Regierung in Mexiko ist überrascht und rätselt über die möglichen Motive
AUS MEXIKO-STADT WOLF-DIETER VOGEL
Das zapatistische Befreiungsheer im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas schließt bis auf weiteres alle legalen Stützpunkte und zieht sich in die Klandestinität zurück. Dies geht aus einem Kommuniqué hervor, das EZLN-Sprecher Subcomandante Marcos am vergangenen Sonntag veröffentlichte. „Ab dem heutigen Tag hat die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) im gesamten aufständischen Gebiet die Alarmstufe rot verhängt“, heißt es in dem Schreiben vom 19. August.
Betroffen von diesen Maßnahmen sind sowohl die bislang als öffentliche Anlaufstellen dienenden so genannten Caracoles als auch die Büros der „Räte der Guten Regierung“, mit denen die indigenen Rebellen seit knapp zwei Jahren das von ihnen kontrollierte Territorium autonom verwalten.
Zudem ruft die EZLN alle mexikanischen und internationalen Aktivisten der Zivilgesellschaft dazu auf, das von den Zapatisten kontrollierte Gebiet zu verlassen oder sich „auf eigenes Risiko“ in den Caracoles zusammenzuziehen. Des Weiteren würden nun auch jene Mitglieder der EZLN, die in letzter Zeit „soziale Arbeit in den zapatistischen Dörfern geleistet haben“, wieder in die militärischen Strukturen zurückberufen. Auch der zapatistische Sender „Radio Insurgentes“ setzt seine Übertragungen aus. Das gesamte Territorium der Zapatisten befinde sich im Alarmzustand, heißt es in dem zweiseitigen Schreiben.
Eine Begründung für die Maßnahmen liefert der Zapatistensprecher nicht, und auch darüber hinaus deutet derzeit im öffentlichen politischen Leben Mexikos nichts daraufhin, was ein solches Vorgehen notwendig macht. Im Gegenteil: Spätestens mit dem von der mexikanischen Regierung weitgehend tolerierten Aufbau der autonomen Strukturen entspannte sich in den letzten Jahren der Konflikt zwischen den Rebellen und der Regierung. Marcos äußerte sich regelmäßig in ausführlichen Statements zu innenpolitischen Fragen und veröffentlichte jüngst einen gemeinsam mit dem mexikanischen Autor Paco Ignacio Taibo II verfassten Kriminalroman.
Zuletzt sorgten die Maskierten aus dem Lakandonischen Urwald mit ihrem Vorhaben für Furore, in einem Fußballspiel gegen die Elf von Inter Mailand anzutreten. Beziehungen zwischen Inter Mailand und den Zapatisten bestehen bereits seit dem vergangenen Jahr.
Um es in der Sprache der Zapatisten auszudrücken: Die Worte dominierten gegenüber dem Feuer. Umso ungewöhnlicher erscheint die jetzt angekündigte Mobilmachung, zumal der damit verbundene Abzug aus den quasilegalen autonomen Regierungsstrukturen ein schwerer Rückschritt auf dem von den Zapatisten eingeschlagenen Weg bedeutet.
Auch in der mexikanischen Regierung war man über das Vorgehen der EZLN verwundert. Die Region befinde sich „in völlig normalem Zustand“, reagierte der Beauftragte für Dialog und Verhandlungen in Chiapas, Luis H. Alvarez, auf das EZLN-Kommuniqué.
Die EZLN machte erstmals im Januar 1994 mit einem kurzzeitigen Aufstand für die Rechte der indigenen Bevölkerung von sich hören, danach spielten die bewaffnete Auseinandersetzungen jedoch zunehmend eine geringere Rolle.