Landwirte wollen gen Brüssel ziehen

Bauernpräsident teilt nach allen Seiten aus, vor allem gegen Ministerin Künast. Ihren Job will er aber nicht

ROSTOCK taz/ap ■ Die geplante Reform der EU-Zuckermarktordnung ist gestern auf dem Deutschen Bauerntag nicht gut angekommen. Die Landwirte reagierten mit Pfiffen und Buhrufen und gaben ihrem Präsidenten Recht. „Ein Skandal“, sagte Gerd Sonnleitner. Der Vorschlag von EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel sei eine „radikale Kampfansage“, die die Landwirte annehmen würden. So könne man mit den Bauern nicht umgehen. Das Vorhaben sei ungehörig und unanständig.

Sonnleitner kündigte weitere Demonstrationen unter anderem in Brüssel und Berlin an. Die Bauern würden ihren Unmut dort „absolut deutlich machen“.

In Rostock taten sie das schon mit Blick auf Renate Künast (Grüne). Der Bauernverband warf der Verbraucherministerin Gleichgültigkeit gegenüber den Landwirten vor. Schlimm sei der „Mehltau einer lähmenden Politik in unserem Land“.

Und zu allem Überfluss begrüßte Künast auch noch den EU-Zucker-Vorschlag: „Er verbindet die Ziele, eine mehr am Markt ausgerichtete und wettbewerbsfähigere Zuckererzeugung zu sichern und mehr Gerechtigkeit in die internationalen Agrarhandelsbeziehungen einkehren zu lassen“, erklärte die Ministerin. „Wer bei dieser Diskussion die Interessen der deutschen Landwirtschaft glaubhaft vertreten will, der darf im Kern die Notwendigkeit der Zuckermarktreform nicht weiter anzweifeln“, sagte sie und verwies auf Entscheidungen der Welthandelsorganisation und Zusagen gegenüber Entwicklungsländern.

Sonnleitner sparte dennoch nicht mit Kritik an Künast und forderte eine „Bauernbefreiung“. Der Agrarbranche müssten die „Fesseln der vielen nationalen Alleingänge“ etwa im Umwelt- und Naturschutz genommen werden. Er machte die Politik der rot-grünen Bundesregierung für die Ertragsschwäche der Bauern verantwortlich.

Niemand werde mehr durch die Ökosteuer belastet als die Landwirtschaft, sagte Sonnleitner. Im gleichen Augenblick, da andere EU-Staaten ihre Landwirte bei der Agrardieselsteuer entlasteten, habe die Bundesregierung die deutschen Bauern mit 287 Millionen Euro Steuererhöhung belastet.

Auch die der Verschärfung von EU-Richtlinien beim Tier- und Umweltschutz kritisierte der Präsident. Die Bauern kennten die hohen Ansprüche der Gesellschaft an tiergerechte Ställe, bodenschonende Landtechnik oder passgenauen Pflanzenschutzmittel-Einsatz. „Aber das muss erwirtschaftet und nicht verordnet sein.“

Doch die Chance, eine bessere Agrarpolitik selbst zu machen, sucht Sonnleitner nicht. Der Forderung seiner Anhänger, er solle neuer Agrarminister werden, erteilte er eine Absage. Der Job sei „wichtig und interessant“, aber er wolle Bauernpräsident bleiben. Und dafür erhielt er lang anhaltenden Beifall. step