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Archiv-Artikel

CDU-Minister fordert Pflicht-Deutschkurse

Weniger Geld für Ausländer, die kein Deutsch lernen? Fachleute halten den Vorstoß für realitätsfern

BERLIN taz ■ Wer als Ausländer in Deutschland lebt, muss Deutsch lernen – sonst bekommt er weniger Sozialhilfe. Mit dieser Forderung hat sich jetzt auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) in die jüngste, von der Union angestoßene Ausländerdebatte eingemischt. „Zuwanderung heißt vor allem Integration derjenigen, die schon in Deutschland leben“, sagte er.

Was der CDU-Politiker nicht erwähnte: Unter anderem auf Druck der Union gibt es im neuen Zuwanderungsrecht schon heute Möglichkeiten, Ausländer zum Deutschlernen zu verpflichten. So kann die Arbeitsagentur einem Zuwanderer einen Sprachkurs verordnen, wenn das die Aussicht auf Arbeit verbessert. Zudem hat auch das Ausländeramt das Recht, einen Sprachkurs anzuordnen, wenn „erhöhter Integrationsbedarf“ besteht. Was das genau bedeutet, entscheidet der Sachbearbeiter.

Die Behörde der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung verweist außerdem darauf, dass weiterer Druck auf Ausländer, Deutsch zu lernen, ins Leere laufen dürfte. 95 Prozent der Ausländer in Deutschland könnten sich ausreichend in der Landessprache verständigen, sagte ein Sprecher von Marieluise Beck (Grüne). Viele andere, die nach einigen Jahren noch nicht genügend Deutsch könnten, meldeten sich freiwillig für Deutschkurse. Das eigentliche Problem sieht man in Becks Behörde an anderer Stelle: Die Wartelisten für Sprachkurse quellen längst über. Seit Anfang des Jahres hätten bereits 95.000 Ausländer einen Deutschkurs belegt. Zwei Drittel davon lebten schon länger in Deutschland. „Nicht mangelnder Wille, sondern das mangelhafte Angebot ist das Problem“, so der Sprecher.

Der Münsteraner Politikwissenschaftler Dietrich Thränhardt, Fachmann für Integration, hält den Vorstoß des niedersächsischen Innenministers gar für fadenscheinig. „Das sind symbolische Gesten“, sagt er. „Die Sprache ist nur ein Teil der Integration – wenn auch ein wichtiger.“ So bringe es nichts, Deutsch zu lernen, wenn das Gesetz einem Flüchtling gleichzeitig verbiete zu arbeiten: „Dann kann man das Gelernte nicht anwenden.“ Die Integration über den Arbeitsplatz könne sogar Sprachkenntnisse als Motor zur Eingliederung ersetzen: „Bei Englischsprachigen fordert ja auch niemand, dass sie Deutsch können.“

Auch in der FDP stößt der jüngste Vorschlag der Union zur Integrationsthematik auf Erstaunen: Schließlich, so FDP-Innenexperte Max Stadler, habe seine Partei in den Verhandlungen um das Zuwanderungsgesetz Integrationskurse für jene Ausländer gefordert, die bereits länger in Deutschland leben: „Das wurde auch von der CDU abgelehnt, weil es nicht finanzierbar sei.“ Woher das Geld für zusätzliche Kurse kommen soll – darüber verlor auch Schünemann bisher kein Wort. SOLVEIG WRIGHT