: Die Tücken der Wärme-wende
Die graumäusigen hannoverschen Stadtwerke haben sich als Enercity AG zu einem der wichtigsten Player gemausert. Vorstandsvorsitzende Susanna Zapreva treibt den Wandel voran
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Von Nadine Conti
Wer sich in Hannover mit dem Thema Energie beschäftigt, fühlt sich seit einem Weilchen wie beim Spielen von Hase und Igel: Egal, wo man hinguckt, Susanna Zapreva ist schon da. Seit 2016 treibt die in Österreich geborene Managerin den Umbau des früher ziemlich behäbigen und vor allem sehr fossilen kommunalen Energieversorgers Enercity voran. Gerade saß sie noch in der Expertenkommission der Bundesregierung zur Gaspreisbremse, kurz darauf präsentiert sie in Hannover schon wieder Enercity-Zahlen.
Enercity hat in den letzten Jahren enorm zugelegt: Zuerst profitierte das Tochterunternehmen der Stadt davon, dass viele Billiganbieter pleite gingen – und die Kunden in Scharen zurückkehrten, weil Enercity als solider, kommunaler Anbieter gilt. In der aktuellen Krise gehört Enercity zu den wenigen Anbietern, die kleinen bis mittelständischen Unternehmen überhaupt noch Angebote unterbreiten, erzählt Zapreva.
Gleichzeitig hat sie dafür gesorgt, dass der Bereich der erneuerbaren Energien massiv ausgebaut wird. Enercity investiert in Photovoltaik (auf landes- und stadteigenen Gebäuden genauso wie mit einer großen Freiflächenanlage in Sachsen) und in Windkraft (mit neuen Windparks), aber auch in Zukäufe wie den Erwerb von 60 Horizon-Windparks der Norderland-Gruppe im vergangenen Jahr.
Am Kohleausstieg hält das Unternehmen trotz widriger Umstände ebenfalls fest. Enercity betreibt das Kohlekraftwerk in Stöcken, das sollte ursprünglich zum Jahr 2030 abgeschaltet werden. Als „hannover erneuerbar“ begann, Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln, um das Kraftwerk schon früher abzuschalten, einigten sich Stadt Hannover und Enercity darauf, das Werk „möglichst“ im Jahr 2026 komplett abzuschalten. Der erste Block des Meilers soll sogar schon 2024 vom Netz gehen.
Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine drohte dieser Zeitplan ins Wanken zu geraten – immerhin mussten sehr zum Leidwesen des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck auch anderswo Kohlekraftwerke wieder in Betrieb genommen werden, zum Beispiel in Mehrum bei Peine.
Am Kohleausstieg in Stöcken hält Enercity trotzdem fest und hat jetzt die Ersatzplanungen noch einmal ein gutes Stück vorangetrieben. Mit einem Mix aus Geothermie, Großwärmepumpen, Industrieabwärme und einer neuen Müllverbrennungsanlage sollen die bis zu 200 Megawatt Wärmeleistung des Kohleblocks 2 kompensiert werden. Für den Kohleblock 1 hat Enercity schon im letzten Jahr Ersatzlösungen angekündigt, darunter ein Altholzheizkraftwerk , eine Klärschlammverwertungsanlage und Biomethan-Blockheizkraftwerke. Nicht mit jeder dieser Lösungen werden Umweltschützer uneingeschränkt glücklich, aber – sagt Zaprevas Vorstandskollege Marc Hansmann – „perfekte Lösungen brauchen eben Jahre, die wir im Moment nicht haben“.
Zapreva plädiert dagegen für eine neue Fehlerkultur, wie sie vor allem im Hinblick auf die Gasumlage sagt, die Enercity erst eingepreist hat und nun doch nicht abrechnen wird. „Wir müssen uns daran gewöhnen, schnell zu reagieren und Dinge auch wieder umzuschmeißen.“ Resilienz erfordere eine solche Fehlerkultur und es sei eines der größten Probleme unserer Gesellschaft, dass wir die nicht haben, meint Zapreva.
Aber auch wenn sie strikt dagegen ist, immer nur das Haar in der Suppe zu suchen, gibt es sehr wohl ein paar Umstände, die ihr Sorgen machen. Da ist erstens, dass Hannover die von der Bundesregierung ausgegebenen Sparziele von rund 20 Prozent bisher verfehlt.
Zwar ist der Gasverbrauch im Vergleich zum Vorjahr um 7,6 Prozent gesunken – aber nur, wenn man Wetter und Temperatur nicht berücksichtigt. „Witterungsbereinigt ist der Verbrauch sogar um 11,3 Prozent höher“, erklärt Zapreva. Eine ähnliche Tendenz ergibt sich für den bisherigen Jahresverlauf. Absolut hat Enercity 14,1 Prozent weniger Gas abgesetzt, temperaturbereinigt ergibt sich ein Mehrabsatz von 3,5 Prozent. Zapreva appelliert daher dringend an die Kunden, mehr Gas zu sparen.
Enercity lässt allerdings seit Kurzem sein Gaskraftwerk in Linden auch wieder rund um die Uhr laufen. „Wenn Sie uns vor ein paar Wochen gefragt hätten, hätten wir gesagt: Nee, das läuft, die Anlage wird dieses Jahr nicht mehr laufen“, sagt Marc Hansmann. Jetzt muss sie doch wieder ran, Gas verstromen, um den Ausfall der französischen AKW zu kompensieren.
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