Regierung aus der dritten Reihe

Nach monatelanger Suche präsentiert Nordrhein-Westfalens neuer CDU-Ministerpräsident Rüttgers ein Kabinett voller unbekannter Gesichter. Regierungserfahrung fehlt, Konflikte sind programmiert

VON ANDREAS WYPUTTA

Einen Tag nach seiner Vereidigung als Ministerpräsident hat der CDU-Landesvorsitzende Jürgen Rüttgers sein Kabinett vorgestellt. Nordrhein-Westfalen wird danach künftig von Politikern der zweiten und dritten Reihe regiert. Dem Kabinett gehören insgesamt nur drei Frauen an: Neben der bereits vorab nominierten Wirtschaftsministerin Christa Thoben wird Roswitha Müller-Piepenkötter, bisher NRW-Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, das Justizressort leiten. Als Schulministerin benannte Rüttgers Barbara Sommer, Schulamtsdirektorin im Kreis Gütersloh (alle CDU).

Für Frauen dagegen zuständig ist der christdemokratische Europaabgeordnete Armin Laschet (siehe unten). Der 54-jährige Minister für „Generationen, Familie, Frauen und Integration“ war nach seinem Jura-Studium unter anderem als Chefredakteur, Geschäftsführer und Verlagsleiter des Aachener Einhard-Verlages tätig. Der Verlag gibt nicht nur die KirchenZeitung für das Bistum Aachen heraus, sondern wirbt auf im Internet auch für sein Krippensortiment.

Das neu zusammengewürfelte Bau- und Verkehrsministerium wird wie erwartet Gelsenkirchens ehemaliger christdemokratischer Oberbürgermeister Oliver Wittke leiten. Auch die restlichen CDU-Minister Helmut Linssen (Finanzen), Karl-Josef Laumann (Arbeit und Soziales) und Eckhard Uhlenberg (Landwirtschaft und Umwelt) galten als gesetzt. Nach tagelanger Rangelei um Posten und Pöstchen vorab geeinigt hatten sich auch die Liberalen: Der bisherige FDP-Fraktionschef Ingo Wolf leitet das Innenressort, Parteichef und Chaosforscher Andreas Pinkwart wird als „Innovationsminister“ für die Bereiche Wissenschaft und Forschung zuständig.

Künftige Konflikte sind damit programmiert. So machte Müller-Piepenkötter als Richterbund-Vorsitzende bisher massiv Front gegen die noch von Rot-Grün beschlossenen Stellenkürzungen im Justizbereich – eine Position, die mit Rüttgers‘ angekündigtem Sparkurs nur schwer vereinbar ist. In den Wirren der monatelangen Kabinettsfindung stecken geblieben ist auch Wolfs Paradethema Bürokratieabbau: Der neuen Landesregierung gehören wie dem rot-grünen Kabinett elf Minister an – zumindest in der politischen Spitze soll dann doch nicht gespart werden. Kritisiert wird auch die Entscheidung Rüttgers‘, die Bereiche Kultur und Sport der Staatskanzlei und dem Innenministerium zuzuschlagen. Der zuständige Innen-Staatssekretär Manfred Palmen habe „noch nie etwas mit Sport zu tun“ gehabt, war im Landtag zu hören.

Der neue Ministerpräsident gab sich dagegen optimistisch. Seine Regierung sei „ein Kabinett des Neuanfangs“, in dem sich Glaubwürdigkeit, politische Erfahrung und fachliche Kompetenz bündele. Gleichzeitig lobte Rüttgers seinen „Freund“ Helmut Stahl – der bisherige CDU-Fraktionsgeschäftsführer soll ihm als Fraktionschef nachfolgen. Scharfe Kritik kam dagegen von der neuen SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft: „Das ist ein wahres Schattenkabinett – no-names und keine Regierungserfahrung“, so die ehemalige NRW-Wissenschaftsministerin. Rüttgers‘ Kabinett fehle jegliche Bundesprominenz: „Die CDU-Spitzenspieler aus der ersten Liga wollten nicht in den Rüttgers-Club.“