: „Zig Fragen sind noch offen“
Die Studiengebühren kommen. Im taz-Gespräch erklärt Günther Remmel, Vorsitzender der nordrhein-westfälischen Studentenwerke, warum sie nicht sozialverträglich sind
taz: CDU und FDP sagen, trotz Studiengebühren soll niemand ‚aus finanziellen Gründen auf ein Studium verzichten‘ müssen. Ist das realistisch? Günther Remmel: Wir sehen das problematisch. Schon heute gibt es ja zu wenige Studierende aus unteren sozialen Schichten. Durch die Gebühren wird sich das sicher nicht ändern. Eher im Gegenteil. Aber deshalb ist es zumindest ein Teilerfolg, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Die Gebühren müssen sozialverträglich sein. Zu verhindern sind sie ohnehin nicht mehr.
CDU und FDP behaupten gerne, die Gebühren seien sozialverträglich.
Man kann nicht sagen, dass 500 Euro pro Semester per se sozialverträglich sind. Was ist zum Beispiel mit denjenigen Studenten, die knapp unter der Bafög-Hürde liegen, also kein Bafög bekommen? Schon jetzt gibt es dieses „Mittelstandsloch“. Wenn das Gebührenmodell so in Kraft tritt, dann muss jemand, der fünf Euro unter der Bafög-Grenze liegt, plötzlich 500 Euro Gebühren zahlen. Das kann nicht sein. Es muss deshalb unbedingt eine Staffelung der Gebühren geben. Außerdem wird es einen Run auf die Bafög-Ämter geben, weil jeder Bafög-Empfänger sein will.
Auch das System der Kreditfinanzierung steht noch nicht.
Das ist noch vollkommen offen. Klar ist aber, dass die Studiengebühren nur dann eingeführt werden dürfen, wenn es auch ein Kreditsystem für Studenten gibt. Die neue Landesregierung muss die perfekte Lösung bieten, die all diese Fragen beantwortet, sonst geht es nicht.
Aber wer soll die Kredite bereitstellen?
Es muss ein staatliches System geben. Denn ‚normale Banken‘ haben erstens kaum ein Interesse an diesen Kleinstkrediten. Zweitens muss die Zinslosigkeit der Kredite gewährleistet sein, wenn das alles einigermaßen sozialverträglich sein soll.
Und dann werden mit den Studiengebühren auf einen Schlag die Finanzprobleme der Unis gelöst sein?
Sicher nicht. Aber unter der Voraussetzung, dass das Geld wirklich an den Hochschulen bleibt und nicht später an anderer Stelle gekürzt, können die Gebühren wenigstens einen kleinen Beitrag leisten. Aber bisher sind die Entwürfe ja eher vage. Zig Fragen sind noch offen. Was wird zum Beispiel aus ausländischen Studierenden? Und wer verwaltet die Gebühren an den Hochschulen eigentlich? Das ist ein riesiger bürokratischer Aufwand.
Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) wusste in einer Fernsehsendung nicht einmal, dass Bafög teilweise zurückgezahlt werden muss. Ist das Vertrauen erweckend?
Von einem Wissenschaftsminister sollte man schon erwarten, dass er so etwas weiß – auch wenn Pinkwart als Hochschuldozent zurzeit nicht tätig ist. INTERVIEW: ULLA JASPER