: „Wem dienen Ärzte?“
Eine Veranstaltungsreihe von Gesundheitsamt und Ärztekammer thematisiert den zunehmenden gesellschaftlichen Druck auf die Ärzte
Bremen taz ■ Es klingt selbstverständlich: „Wir wollen deutlich machen, dass die Ärzte die Interessen des Patienten wahren. Die Wahrung staatlicher Belange ist nicht Aufgabe des Arztes“, sagte Heike Delbanco, Geschäftsführerin der Ärztekammer. Doch in der Praxis stünden Ärzte immer häufiger unter dem Druck, staatlichen Interessen zu genügen. Deshalb initiieren Ärztekammer und Gesundheitsamt nun nun eine Vortragsreihe zum Thema: „Wem dienen Ärzte – ärztliches Handeln zwischen Politik, Staatsgewalt, zwischen Fachlichkeit und Ethik“.
Jochen Zenker, Leiter des Gesundheitsamtes, nannte gleich drei Bereiche, in denen Ärzte drohen, Handlanger anderer Interessen zu werden. „Die Sehnsucht in Politik und Bevölkerung nach absoluter Sicherheit nimmt zu“, so Zenker und damit die – unangemessene – Erwartung an die Forensik, als Ordnungsmacht aufzutreten.
In anderer Weise gelte das auch für die Begutachtung und Behandlung von Asylsuchenden und von Kindern, die von Behinderung bedroht seien. Es seien Ärzte, die dadurch, dass sie über eine mögliche seelische Erkrankung befinden, die Abschiebung von Asylsuchenden letztendlich in die Wege leiteten. Zugleich sei es ihnen mittlerweile nur noch erlaubt, Asylbewerber in „akuten“ Fällen zu behandeln nicht aber bei chronisch verlaufenden Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes. Auch bei der Förderung behinderter Kinder gerieten Ärzte immer öfter ins Spannungsfeld gesellschaftlicher Interessen: Wie entscheiden angesichts der Deckelung staatlicher Budgets und Regressansprüchen der Krankenkassen einerseits sowie klagender Eltern andererseits?
Thomas Hilbert, der Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes für Erwachsene warnte vor einem medizinisch beglaubigten „Verschiebebahnhof“ für benachteiligte Gruppen. Mit dem Gutachten zur Erwerbsfähigkeit entschieden die Ärzte nicht nur über die Zuordnung zu Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II, sondern leisteten ungewollt einen Beitrag, „Menschen mit Hilfe medizinischer Argumente ein für alle Mal in Systemen zu fixieren“. Rehabilitation bliebe dabei auf der Strecke. Diese soziale und politische Dimension ihrer Arbeit müssten sich alle Ärzte bewusst machen. grä
Erster von sieben Veranstaltungsterminen der Reihe ist am 27.6., 20 Uhr, im Fortbildungszentrum der Ärztekammer am Klinikum-Mitte: „Individuelle Grundrechte versus Gefahrenabwehr“.