: Der EU-Haftbefehl könnte helfen
Die Auslieferung von deutschen NS-Verbrechern ist seit 2004 zulässig. Für eine Revisionverhandlung könnte Italien auf Anwesenheit der Angeklagten bestehen
FREIBURG taz ■ Keiner der Angeklagten nahm am Verfahren in La Spezia teil. Bei der Revisionsverhandlung könnte dies aber anders aussehen.
Zwar durften Deutsche bis vor kurzem nicht ins Ausland ausgeliefert werden, doch mit Einführung des Europäischen Haftbefehls wurde dies im Jahr 2004 geändert. Deutschland hat die Auslieferungsmöglichkeit sogar – über die EU-Vorgaben hinaus – auf alte Straftaten erstreckt. „Wir wollten gerade auch die Auslieferung von Personen ermöglichen, denen im Ausland NS-Verbrechen vorgeworfen werden“, sagte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) jüngst vor dem Bundesverfassungsgericht, wo über die Zulässigkeit des EU-Haftbefehls gestritten wird.
Bisher liegt beim Bundesjustizministerium im Zusammenhang mit NS-Verbrechen allerdings erst ein Auslieferungsersuchen aus Dänemark vor, weitere sind aus den Niederlanden angekündigt. Italien hat für die Angeklagten von La Spezia noch keine Auslieferung beantragt. Möglicherweise liegt dies daran, dass der EU-Haftbefehl in Italien wegen besonderer Interessen Berlusconis erst im April dieses Jahres eingeführt wurde.
Gegen die Auslieferung der zehn Angeklagten könnte allerdings geltend gemacht werden, dass auch bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten wegen derselben Tat läuft. Zuständig für die Entscheidung, ob ausgeliefert wird, ist die Generalstaatsanwaltschaft in Baden-Württemberg, wo auch die meisten Angeklagten ihren Wohnsitz haben. „Dabei geht es nur darum, wo ein Prozess am besten geführt werden kann, ob in Deutschland oder in Italien“, erklärte gestern ein Sprecher des Stuttgarter Justizministeriums, „wenn der Tatort und viele Zeugen in Italien leben, spricht das dafür auszuliefern“.
Zumindest offiziell soll es bei der Auslieferungsentscheidung keine Rolle spielen, dass sich die Rechtslage in Deutschland und Italien unterscheidet. In Deutschland ist Totschlag längst verjährt, die Taten können nur noch als Mord verfolgt werden. Deshalb müsste jedem einzelnen Angeklagten ein Mordmerkmal, etwa Grausamkeit oder Heimtücke bei der Tat, nachgewiesen werden. In Italien genügte dagegen für die Verurteilung, dass die Soldaten an dem Verbrechen in irgendeiner Form teilgenommen hatten.
Ein italienisches Strafurteil kann im Wege der Vollstreckungshilfe grundsätzlich auch in einem deutschen Gefängnis abgesessen werden. „Wenn der Prozess in Abwesenheit der Angeklagten durchgeführt wurde, könnte es allerdings Bedenken geben, dass hier die rechtsstaatlichen Mindeststandards nicht eingehalten wurden“, erläutert das Stuttgarter Justizministerium. Die Verurteilung in Abwesenheit könnte auch die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen verhindern.
Wenn es den italienischen Anklägern also nicht nur um einen symbolischen Prozess geht, dürften sie bald die Auslieferung der Angeklagten beantragen, sodass diese im Revisionsverfahren teilnehmen können.
CHRISTIAN RATH