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Archiv-Artikel

„Menschenbilder der Musik“

HIMMLISCHE TÖNE Der Musikwissenschaftler Pantilejew erklärt den Geist sakraler Musik

Grigori Pantilejew

■ 52, ist Dirigent, promovierter Musikwissenschaftler und Dozent an der Bremer Universität. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Bremen

taz: Herr Pantilejew, Sie wollen das jeweilige religiöse Menschenbild Musik von Rachmaninows oder Bachs aufzeigen ...

Grigori Pantilejew: Mir geht es darum, die Teilnehmer zu einem Gespräch zu bewegen - über die Musik. Über die Frage, welches Menschenbild hinter einer bestimmten Musik steht. Was geschieht mit mir, wenn ich die „Allnächtliche Wache“ von Rachmaninow oder etwa die Matthäus-Passion von Bach höre? Bin ich dann ein Gläubiger?

Die Komponisten haben ihren Glauben in die Musik eingebracht?

Ja, nachweislich, und das in der Vorstellung, dass ihre Werke im Gottesdienst die Funktion haben, die Gläubigen in eine besondere Stimmung und auf bestimmte Gedanken zu bringen.

Heute gibt es konzertante Aufführungen davon ...

Diese Werke wurden aus der Kirche verbannt und existieren nur noch im Konzert. Seit dem späten 19. Jahrhundert werden sie als ästhetische Botschaft aufgeführt. Schon eine Frau, die 1729 die soeben uraufgeführte Matthäus-Passion gehört hat, empörte sich in ihrem Tagebuch: „Ist‘s doch, als ob man in einer Oper wäre“.

Was ist denn an einer Musik von Josquin Desprez „katholisch“, zum Beispiel?

Nicht so schnell bitte. Ich sehe meine Aufgabe nicht in der Vermittlung schlichter und fertiger Wahrheiten, die Teilnehmer sollen erst einmal selbst hören und ihren Eindruck austauschen – über das Himmlische und das Irdische, Ewigkeit und Endlichkeit, über Engels Körper und Geschlecht, und hauptsächlich ob sie für die gegebene Zeit ein anderer Mensch werden. Drei Konfessionen - drei verschiedene Menschen? Fragen: kawe

19.30 Uhr, Kapitel 8, Domsheide. Da beginnt der vier Abende umfassende Kurs des Evangelischen Bildungswerks