: „Das eigene Land durch andere Augen betrachtet“
Lesung auf Japanisch und Deutsch: Jun Katos „Berlin um 2000“
Anna Sanner
geboren 1980, ist Dolmetscherin, Autorin und Übersetzerin.
Interview Emma Philipp
taz: Frau Sanner, worum geht es in Jun Katos Buch „Berlin um 2000“?
Anna Sanner: Geboren 1972 in Yokohama, ist Jun Kato 1997 nach Berlin gegangen und elf Jahre geblieben. Kurz nach der Wende war ganz Berlin eine Baustelle, was er als passend zu seinem Leben empfand, welches damals ebenfalls eine Baustelle war. In dem Buch schildert er vor dem Hintergrund des Zeitgeschehens seine Begegnungen und Erfahrungen. Man spürt: Aus Geschichte entstehen Menschen und aus Menschen entsteht Geschichte.
Weshalb haben Sie sich entschieden, es zu übersetzen?
Wegen der Außenperspektive. Wenn man in ein anderes Land reist, erkennt man häufig, dass vieles, was man bisher für normal gehalten hat, nur im eigenen Land normal ist. Diesen Effekt der Horizonterweiterung hat man auch, wenn man, wie hier, das eigene Land durch andere Augen betrachtet.
Welche Auswirkung haben die persönlichen Perspektiven auf die Wahrnehmung der Umgebung?
Eine entscheidende. In einem Schwarm Thunfische fühlt man sich als Thunfisch unter Freunden, als Makrele hingegen einsam, verzweifelt und verloren.
Wie fängt der Autor diese Thematik ein?
Erstens durch seine Perspektive als „Fremder“. Zweitens dadurch, dass er Menschen unterschiedlichster Herkünfte und Ansichten gegenüber offen und respektvoll begegnet und, selbst, wenn er rassistisch angefeindet wird oder sieht, wie ein Kommilitone sich zum radikalen Islamisten entwickelt, stets den Menschen und seinen Erfahrungshintergrund in den Mittelpunkt stellt.
Lesung mit Anna Sanner (Übersetzerin) und Yoko Arisaka (Institut für Philosophie, Universität Hildesheim): Mittwoch, 3. August, 18.30 Uhr , Hannover, Museum August Kestner
Die Lesung wird organisiert vom Projekt „Translasien“ für Literaturübersetzer aus süd- und ostasiatischen Sprachen. Infos: https://www.cats.uni-heidelberg.de/forschung_und_lehre/projekte/translasien/
Wie war es, das Buch zu übersetzen?
Schön, weil ich es gern gelesen habe und gut mit dem Autor arbeiten konnte. Die Herausforderung beim Übersetzen besteht immer darin, den Text inhaltlich und stilistisch möglichst originalgetreu wiederzugeben, während man ihn ja auf Deutsch andererseits ganz neu schreiben und eventuelle kulturbedingte Verständnislücken des Zielpublikums berücksichtigen muss.
Und – ist Ihnen die Übersetzung gelungen?
Um das zu beurteilen, fehlt mir die Außenperspektive. Aber durch die gute Zusammenarbeit mit dem Autor bin ich zumindest zuversichtlich, dass die Übersetzung in seinem Sinne ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen