: Allein stehende Männer sollen gehen
Innenministerkonferenz beschließt Abschiebung afghanischer Flüchtlinge. Als Erste müssen unverheiratete Männer Deutschland verlassen. In Hamburg stellten von Abschiebung bedrohte Männer Asylanträge. Flüge nach Kabul sind knapp
AUS HAMBURG EVA WEIKERT
Nach dem Willen der Bundesländer soll schnellstmöglich mit der Abschiebung afghanischer Flüchtlinge begonnen werden. Das sieht ein Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) vor, teilte Baden-Württembergs Ressortchef Heribert Rech (CDU) gestern nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Stuttgart mit.
Zunächst sollten allein stehende Männer, die noch keine sechs Jahre in Deutschland leben, sowie Straftäter und Personen, von denen eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ausgehe, zurückkehren. Ab 1. Juli könnten Flüchtlinge ausgeflogen werden.
Afghanen, die vor dem Stichtag 24. Juni 1999 in Deutschland angekommen sind und eine feste Arbeit haben sowie über 65-Jährige, deren Angehörige hier leben, sollen dagegen vorerst bleiben können. Weitere Ausnahmen sollen den Innenministern zufolge in Härtefällen für Auszubildende, Familien mit Kindern und allein Erziehende gelten.
Die IMK folgt damit dem Beispiel Hamburgs. Die CDU-regierte Hansestadt weist als einziges Bundesland schon seit Ende des Abschiebestopps am 30. April nicht mehr nur Straftäter, sondern auch allein stehende männliche Afghanen aus. In Hamburg leben rund 15.000 Flüchtlinge aus dem kriegszerstörten Land – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Der Innenbehörde zufolge ist jeder Dritte ausreisepflichtig.
Behördenpräses Udo Nagel (parteilos) war im April selbst nach Kabul geflogen und mit dem Eindruck zurückgekehrt, die Lage sei „positiv“, mit Rückführungen könne begonnen werden. Die rot-grüne Opposition in der Bürgerschaft hatte das isolierte Vorpreschen scharf kritisiert: „Der Senat durchbreche Länderkonsens“, rügte die GAL-Fraktion. Die SPD im Parlament warf Nagel vor, „mit der Brechstange durch die Gemeinde zu jagen“.
Der Alleingang war aus Senatssicht aber wenig erfolgreich: So hatte Senator Nagel angekündigt, bis Jahresende etwa 300 Männer abzuschieben und hatte seit Mai weit mehr als 100 Afghanen in die Innenbehörde vorladen lassen. Doch weil die Betroffenen Asylanträge stellten oder die Kabul-Flüge ausgebucht waren, ist bis gestern nur eine einzige Abschiebung aus Hamburg erfolgt.
Die Grünen geißelten den Beschluss der Länder, es Hamburg jetzt gleichzutun. Abschiebungen nach Afghanistan „sind gefährlich, falsch und unverantwortlich“, sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Täglich gäbe es dort militärische Auseinandersetzungen mit vielen Toten. „Dass jetzt aus Deutschland das Signal kommt, wir beginnen mit der Abschiebung, widerspricht auf eklatante Weise unseren humanitären Verpflichtungen“, so Roth. Von den Innenministern hätten sie ein klares Signal erwartet, dass nicht nach Afghanistan abschoben wird.
„Von stabilen Verhältnissen kann in Afghanistan keine Rede sein“, konstatiert auch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) in einem Bericht vom April diesen Jahres. Die „Wiederherstellung des Gewaltmonopols“ der afghanischen Regierung sei nicht vor 2007 zu erwarten. Das UNHCR warnt darum vor Abschiebungen im großen Stil und drängt auf Einzelfallprüfungen. Neben der schlechten Sicherheitslage prägten Massenarbeitslosigkeit, Wohnung- und Nahrungsnot sowie „gravierende“ Mängel in der Gesundheitsversorgung den Alltag in Afghanistan.