piwik no script img

berliner szenenWenn man aussieht wie wir

Noch Urlaub geplant oder schon welchen gemacht?“, fragt die Friseurin und erzählt, sie wolle dieses Jahr mit Freunden an einem See zelten. Der liege irgendwo in der Nähe von Köln am Rande eines Waldes, was sich gut mache, da ihr Freund sehr naturverbunden sei: „Er ist Schreiner und baut gerne auch mal Hütten.“

Sie grinst. „Problem ist nur, dass er Axt und Beil mitnehmen will.“ Ich kann ihr nicht folgen: „Was ist daran das Problem?“ Sie kaut auf ihrer Lippe, „Naja, sagen wir mal, er sieht aus wie ein Araber. So mit Vollbart.“ Ich stehe noch immer auf dem Schlauch. Sie lacht über mein irritiertes Gesicht und erklärt: „Ein Araber im Zug mit Axt und Beil?“ Ich frage: „Aber er will Axt und Beil doch wohl kaum unter dem Arm tragen, oder?“ Sie lacht noch immer: „Das nicht.“ Dann meint sie ernst: „Aber es kann ja immer sein, dass man ihn durchsucht.“

Sie habe schlechte Erfahrungen gemacht, besonders mit Kontrolleuren, Security und der Polizei: „Als meine beste Freundin, mein Freund und ich mit 14 einmal nachts draußen waren, hat mein Freund gegen einen Laternenmast getreten. Da standen sofort Polizisten und riefen: ‚Ausweise! Meine Freundin ist vor Schreck losgerannt. Da haben sie sie auf den Boden gedrückt, bis mein blonder Bruder kam und gesagt hat, dass wir Kinder sind.“ Sie erzählt, sie sei in Deutschland geboren und aufgewachsen, nie in einem anderen Land gewesen und spreche auch nur Deutsch und Englisch: „Und trotzdem werde ich immer anders behandelt als mein Bruder. Kunden reden oft so, als verstünde ich nichts oder fragen nach einer Deutschen.“ Sie legt ihre Stirn in Falten: „Ich bin Deutsch. Genau wie mein Freund oder meine Freundin. Wenn man aber aussieht wie wir, muss man gucken, wie man wirkt. Eine Axt sollte man nicht rumschleppen.“

Eva-Lena Lörzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen