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berliner szenenAm Ende einer Nachtfahrt

Wie der Blitz rennen zwei Teenager an mir vorbei. Sie laufen dem Flixbus hinterher, der vor ihren Nasen (mit ihren Sachen und ohne sie, die eine Zigarette rauchten) beim Zentralen Omnibus Bahnhof (ZOB) losfährt. Beim Rennen schreien sie und lachen sich zugleich kaputt. Es ist ein Bild wie aus einem italienischen Film. Doch ich befürchte, dass der Busfahrer nicht auf sie warten wird.

Eigentlich könnte ich fast zu Hause sein, wenn ich weiter bis Südkreuz gefahren wäre. Allerdings bin ich froh, dass wir davor am ZOB halten, und springe direkt aus dem Bus. Mit dem schlecht gelaunten Fahrer, den Teenagergruppen, den hustenden und den deosüchtigen Menschen fühlte sich die Nachtfahrt aus Kopenhagen, nach zwei Wochen Radfahren wie ein Albtraum an.

Am ZOB fragte ich den Fahrer, ob er mir hilft, mein Rad aus dem Fahrrad­träger zu nehmen. Als Antwort schimpfte er auf Polnisch und machte eine Geste, die ich als “Lass mich in Ruhe“ interpretierte. Also demontierte ich das Rad selbst, griff nach meinen Taschen und entfernte mich so schnell wie möglich aus dem Chaos. Vor den Toiletten stand eine Frau, die auch im Flixbus ­gesessen hatte und verloren aussah. Sie verstehe nicht, wo sie ist und wohin sie muss, sagte sie und zeigte mir eine selbst gemalte Karte. Ich versuchte ihr zu helfen und schaute auf meinem Handy nach. ­Außerdem verstehe sie nicht, warum man für die Toilette einen Euro bezahlen muss und noch weniger, warum der Fahrer so unfreundlich war. Ich zuckte mit den ­Schultern; in dem Moment sahen wir die Jugendlichen rennen. Sie schüttelte den Kopf.

Einige Minuten später winken wir uns zu, ich mache mich auf den Weg nach Hause. Es ist 5.30 Uhr, die Sonne strahlt in goldenen Tönen, Berlin ist noch ganz leer. Luciana Ferrando

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