Die Kämpfe vor dem Wahlkampf

Hamburgs Parteien tagen für die Bundestagsneuwahl und küren KandidatInnen. SPD und CDU wollen je sechs Mandate, die Grünen mindestens zwei, FDP und Linkspartei je eines – zu viele. 21 hoffen auf Mandate, ein Drittel vermutlich vergeblich

Eine Analyse von Sven-Michael Veit

Früher waren Bundestagswahlen in Hamburg übersichtlich. Die SPD steckte alle Direktmandate ein, die anderen Parteien durften ein paar Mandatsträger von ihren Listen in den Bundestag schicken. In diesem Jahr – sofern im September gewählt wird – dürfte manches anders sein.

Drei bis vier Direktmandate sollten für die SPD weiterhin drin sein: In Mitte, Wandsbek und Harburg-Bergedorf errangen Johannes Kahrs sowie die Alt-Bürgermeister Ortwin Runde und Hans-Ulrich Klose vor drei Jahren Ergebnisse deutlich jenseits der 50-Prozent-Marke. Alle drei treten erneut an. Die anderen drei Wahlkreise jedoch sind wackelig, am wenigsten noch Altona. Dennoch kann dort Olaf Scholz nicht sicher sein, als ehemaliger General des Agenda-Bundeskanzlers ungeschoren davonzukommen. Deshalb könnte Scholz sich auf dem Parteitag am Dienstag zu einer Kampfkandidatur gegen Klose um Platz 1 oder 3 entschließen.

Bei einem Zweitstimmenergebnis von geschätzten 32 Prozent – 2002 waren es immerhin 42,0% – dürfte es nur für vier SPD-Mandate langen. Die Neulinge Niels Annen und Christian Carstensen, auf der Liste weiter hinten platziert, müssen ihre Kreise schon direkt gewinnen. Das ginge zulasten von Scholz, wenn der kein Direktticket erringt. Wenn doch, geht Dorothee Stapelfeldt leer aus, deren parteiinterne Niederlage gegen Annen mit Listenplatz 2 entschädigt werden dürfte. Sie kann nur nach Berlin, wenn drei Männer ihre Wahlkreise nicht gewinnen.

Am wahrscheinlichsten ist dies in Nord, dem traditionell umkämpftesten Wahlkreis. Auf der Woge konservativer Euphorie ist dort CDU-Parteichef Dirk Fischer gegen Neuling Carstensen nicht chancenlos, zumal dieser im Wettbewerb um rot-grüne Stimmen mit der starken grünen Landesvorsitzenden Anja Hajduk steht. Richtig hoffnungsvoll geht sogar der Eimsbüttler Grüne Till Steffen ins Rennen. Er glaubt ernsthaft, gegen SPD-Neuling und Altersgenossen Niels Annen gewinnen zu können – im Erfolgsfall ginge das zulasten von Hajduk auf Listenplatz 2.

Für die Union hingegen ist das Erringen von Direktmandaten eine reine Prestigefrage, zahlenmäßig dürfte es kaum ins Gewicht fallen. Sollte sie sich bei den Zweitstimmen von 28,1% vor drei Jahren auf über 40% im September steigern, gäbe es vermutlich sechs Sitze im Bundestag – und die ersten sechs Plätze auf der Landesliste haben eh die DirektkandidatInnen inne.

Jenseits von Rot und Schwarz war das Schielen nach individuellen Siegen in einzelnen Wahlkreisen bislang wenig erfolgversprechend. Für die FDP ist einzig Platz 1 der Landesliste von Bedeutung, die 6,8% aus dem Jahr 2002 werden die Liberalen nicht verdoppeln können, um ein weiteres Mandat zu erreichen. Das gilt auch für die neue Linkspartei noch nicht definitiv geklärten Namens, zu der sich die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) und die PDS vermutlich zusammenschließen werden. Eine fusionierte linke Kraft müsste die 2,1% Zweitstimmen, welche die PDS vor drei Jahren erreichte, mehr als verdreifachen: Erst dann wäre ein Listenmandat drin.

Von deren zwei träumt erneut die GAL. Dazu müsste sie ihr 2002er Rekordergebnis von 16,2% in etwa bestätigen. Sicher ist allein der Wiedereinzug von Spitzenkandidatin Krista Sager in den Bundestag. Hajduk, voriges Mal noch Nummer 1, muss doppelt um ihre politische Karriere bangen: Auf über 14 grüne Zweitstimmenprozente muss sie hoffen und darauf, dass Eimsbüttels Steffen seine optimistische Ankündigung verfehlt, das erste grüne Direktmandat in der Hansestadt zu erringen.