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Archiv-Artikel

Umweltschützer jetzt öfter vor Gericht

Umweltverbände glauben wegen einer EU-Richtlinie ab sofort mehr Klagerechte zu haben – etwa beim AKW-Bau

BERLIN taz ■ Umweltverbände haben seit Samstag mehr Klagerechte. Das meldete der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Fortan könnten die rund 200 in Deutschland aktiven Gruppen vor Verwaltungsgerichte ziehen, um den Schutz von Boden, Luft oder Wasser anzumahnen. Bislang hatten zumeist nur direkt Betroffene das Recht zu klagen. Das ändere jetzt die so genannte EU-Öffentlichkeitsrichtlinie. Allein: Nicht für alle Juristen ist die Sache so eindeutig.

Für Christian Schrader, Rechtsexperte der Fachhochschule Fulda, steht aber fest: Ab sofort gibt es die Möglichkeit, „schwerwiegende umweltrelevante Rechtsverstöße etwa beim Bau eines Atomkraftwerks“ zu bekämpfen – und zwar mit Musterklagen. Die Zahl der Klagen insgesamt, so fügt er hinzu, bleibe überschaubar. Alles andere sei für die Verbände zu teuer. Auch für Michael Zschische vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen ist die Gültigkeit der EU-Regel und ihre abschreckende Wirkung sicher: „Potenzielle Verletzer von Umweltregeln können nicht mehr sicher sein, dass niemand klagt.“

Die EU-Öffentlichkeitsrichtlinie soll die Beteiligung der Bürger am Umweltschutz fördern. Doch die zweijährige Frist, die Klagebestimmungen in nationales Recht umzusetzen, verstrich. Der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat zwar einen Gesetzentwurf vorgelegt, verabschiedet ist er aber nicht nicht. Nun gehen die Verbände davon aus, dass das EU-Recht direkt greift. Die Richtlinie sei dafür klar genug formuliert, argumentiert auch Jurist Schrader. Davon sind die Experten im Bundesumweltministerium allerdings noch längst nicht überzeugt – und lassen derzeit den Sachverhalt prüfen.

Schrader ist sich sicher: Sobald die erste Klage kommt, werde sie an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg überwiesen. SEBASTIAN SEIFFERT