wortwechsel: „Die letzte Generation“ wird einfach verhaftet
So schnell geht die Welt nicht unter! Nein? Aktivisten der „Letzten Generation“ blockieren die alltägliche Blechlawine der Umweltzerstörung – Autobahnen. Dafür werden sie verurteilt
die these: Nicht wer Straßen, sondern wer Klimaschutz blockiert, gehört kriminalisiert“, taz vom 9. 7. 22
Der 2-Tonnen-Angriff
sehr geehrte frau schwab, wie recht sie haben: haben sie als fußgänger einmal einen autofahrer, der den gehweg zuparkt und einen nötigt, sich in lebensgefahr zu begeben und die fahrbahn zu betreten, um die cirka 2 tonnen schwere waffe zu umgehen, wegen nötigung versucht anzuzeigen? Friedrich Thorwest, München
„Sie wollen überleben!“
Sehr geehrte, liebe Frau Schwab, Ihr Artikel in der taz zu den sogenannten „Strassenklebern“ in Berlin spricht mir aus dem Herzen. Ich hatte einen – erwartungsgemäß frustrierenden – Mail Kontakt zur Berliner Regierung und habe der Senatskanzlei Folgendes geantwortet: Im vorigen Jahr (lange vor Putins Krieg) waren in seriösen Medien – sehr versteckt – Berichte über Madagaskars Urbevölkerung zu finden, über verhungernde und verdurstende Kinder, die noch versucht hatten, Gras und Baumrinde zu essen. Sie werden mir nun vermutlich attestieren, auf die Tränendrüse zu drücken. Das wäre als tatsächliche Wirkung ja nicht einmal die schlechteste in der Senatskanzlei. Zeitnäher als Hungertote des vorigen Jahres sind aktuell die Wassernot in Italien und die Gletscherkatastrophe in den Dolomiten in Südtirol. Und Sie kommen mir mit der Schilderung von Recht und Ordnung, die es durchzusetzen gilt. Sie führen Begriffe wie Demokratie und Erpressung ins Feld und nennen das Verhalten der Jugend „zutiefst undemokratisch“. Hohes Gericht, ich setze dagegen: Das Verhalten vieler Regierender gemeinsam mit oder unter Duldung großer Teile der Wirtschaft, Industrie, Aktien- und Kapitalmärkte ist menschenfeindlich und mörderisch und verletzt unaufhörlich unveräußerliche Rechte, die allem Lebendigen auf dieser Welt per UN-Charta zugesprochen sind. Die heutige Jugend hat den Mut, in den Abgrund zu schauen, der sich vor ihr auftut. Wir machen Anstalten, sie hinein zu stoßen. Wollen Sie dieser Jugend das Recht verweigern, um ihr Überleben zu kämpfen? Es ist bei einigen Stars im Internet chic geworden, alte Menschen als dämlich, konservativ und egoistisch zu charakterisieren. Das ist eine Gemeinheit. Ich habe als 81-Jährige Kontakt zu jungen Menschen, die bei „Fridays for Future“ und „Greenpeace“ aktiv sind. Ich lerne viel von ihnen, und sie hören mir zu. Sie sind sogar an meiner erlebten Geschichte als Kriegskind interessiert und wundern sich dann gar nicht mehr, dass aus mir eine Pazifistin geworden ist. (Ich benutze hier der Einfachheit halber diesen heutzutage unpopulären Begriff).
Heide Zeppenfeld, Gelsenkirchen
Und taz.de schreibt …
Durch die Anwesenheit der Polizei hat „die letzte Generation“ quasi huckepack auch noch Polizeischutz und wird nicht von wütenden Blockierten bedroht. Das ist meines Erachtens kalkuliertes Risiko auf Minimalstniveau mit größtmöglicher Öffentlichkeit. Rudolf Fissner
Dass die „letzte Generation“ beständig mahnt und Veränderungen einfordert, ist richtig und wichtig, allerdings wird der notwendige Wandel nicht kommen, wenn bei den ausgebremsten Autofahrern lediglich das Gefühl zurück bleibt, man wolle ihnen ihre „Freiheit“ nehmen. Nehmen wir die Notwendigkeit der Klimaanpassung als Motor für eine bessere Welt. Wunderwelt
Schade, dass die jüngere Generation nicht auch mal bei sich selbst anfängt. Da steigt ein Festival nach dem anderen (Strom!), Müllberge, Konsum wohin das Auge reicht. Sibsi
Die Alternative: Die Demonstranten lernen einen sinnvollen Beruf, Heizungsbauer, Ingenieur – und bauen umweltfreundliche Heizungen ein, installieren Solaranlagen, dämmen Häuser oder entwickeln schonende Technologien. Und schon tun sie jeden Tag was für ihre Zukunft. Emsch
Die Zeit ist knapp, es bleibt nur noch der Holzhammer. Was nicht die Schuld und das Versäumnis der Demonstrierenden ist. Blutorange
Sollen sie sich halt im Bundestag festkleben. Pitpit Pat
Was die Leute da machen, ist primär ein Zeichen davon, wie harmlos die Klimagerechtigkeitsbewegung ist. Wenn Aktivisti sich irgendwo ankleben und auf die Liberalität und Beißhemmung des Staates vertrauen, ist das am Ende des Tages schlicht dumm. Schlussendlich wird’s harte Urteile gegen die Menschen geben, die Leute sind verheizt und können nicht mehr. Bravo! So geht nachhaltiger Aktivismus. Was es hier braucht, sind deutlich radikalere und sicherere Formen von Militanz und direkter Aktion jenseits von ein paar privilegierten Aktivist:innen. Piratenpunk
@Piratenpunk Herzlichen Glückwunsch, Sie haben den Andreas-Baader-Preis für Radikalisierung gewonnen. Kriebs
Seien Sie froh, dass sich dieser Widerstand in Form von Sekundenkleber äußert – und nicht mit schwerwiegenderen Terror-Aktionen wie Attacken auf fossile Kraftwerke, Kohlefrachter oder SUVs. Tausende Schwarzfahrer sitzen wegen Erschleichung von 2,50 Euro im Knast, während Cum-Ex Betrüger für Milliarden straffrei bleiben. Kozbrogn4U
Ich zitiere Kurt Vonngut: „Wir müssen kontinuierlich von Klippen herunterspringen und auf dem Weg nach unten unsere Flügel wachsen lassen.“ Lowandorder
Der ganz große Abflug?
Wir erzeugen Bilder von kilometerlangen Schlangen flugwilliger Menschen, die bei Interviews auch nicht den Hauch eines ansatzweise schlechten Gewissens an den Tag legen. Es muss sich der Verdacht aufdrängen, dass sich die Menschheit ganz bewusst und ganz schnell abschaffen will. Ulrich Herzau, Berlin
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