: Kinder atmen dicke Luft
Berliner Schüler sind enormen Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt. In den Klassenzimmern ist die Belastung bis zu dreimal so hoch wie in der Außenluft. Gesundheitsschäden sind die Folge
VON SABINE AM ORDEUND MATTHIAS LOHRE
Die Belastung mit Feinstaub in den hiesigen Schulen ist alarmierend hoch. Messungen des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheit und technische Sicherheit (LAGetSi) haben ergeben, dass die Feinstaub-Konzentration in den Berliner Klassenzimmern doppelt so hoch ist wie der Grenzwert, der nach einer EU-Richtlinie in den Straßen nur an 35 Tagen pro Jahr überschritten werden darf. Das bestätigte gestern der LAGetSi-Sprecher Robert Rath. Mögliche gesundheitliche Folgen sind allergische Reaktionen, Hustenreiz sowie Disposition für Atemwegs- und Infektionskrankheiten.
Zwar könne man noch nicht genau sagen, wie groß die Auswirkungen sind, so Rath. Aber eines sei sicher: „Bei jungen Menschen bleibt das nicht effektfrei.“ Ein staatliches Labor hat im Auftrag des LAGetSi zwischen 2002 bis 2004 die Luft in 40 Berliner Schulen untersucht. Das Ergebnis: Das Problem liegt in allen Schulen vor, egal ob sie im grünen Zehlendorf oder an einer Hauptverkehrsstraße in Mitte liegen. „Es gibt keine Ausreißer nach oben oder unten“, sagte Rath. „Das heißt: Der Feinstaub kommt nicht von draußen rein, sondern ist in den Klassenräumen.“
Das Gegenmittel ist schlicht, wird bislang aber zu selten eingesetzt: eine tägliche Feucht- oder Nassreinigung. Damit, so haben Proben des LAGetSi ergeben, lasse sich innerhalb von vier Wochen die Feinstaubkonzentration in den Schulen deutlich senken. Die jüngst eingeführte DIN-Norm, die Wischen zweimal pro Woche vorschreibt, reiche dazu nicht. Und kehren verschlimmere das Problem nur: „Damit wird der Staub am Nachmittag aufgewirbelt und senkt sich bis zum Unterrichtsbeginn am nächsten Morgen nicht“, so Rath.
Das LAGetSi hat seit einem Jahr rund 30 Infoveranstaltungen mit der Bildungsverwaltung und den bezirklichen Schulträgern durchgeführt. Oft habe es geheißen: Für häufiges Putzen fehle einfach das Geld. Dicke Luft herrscht wegen der alarmierenden Meldungen auch bei der für die Schulen zuständigen Bildungsverwaltung. Deren Sprecher Kenneth Frisse hielt sich gestern mit Bewertungen zurück. Nur so viel: „Der erste Ansprechpartner für die Reinigung der Schulen sind die Bezirke.“
Die Luft in Berliner Klassenzimmern ist den Untersuchungen zufolge nicht nur dick, sondern auch verbraucht. Die Kohlendioxidkonzentration ist laut Rath so hoch, dass selbst ein Drittel aller Erwachsenen dadurch ermüdet. Trotzdem sorgten viele Lehrer nicht für die dringend nötigen Stoßlüftungen. Manche Klassenzimmer seien sogar so marode, dass sich die Fenster nicht öffnen ließen.