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wortwechselKrieg: Töten auf Befehl? Töten für die gute Sache?

Verändert der Krieg in der Ukraine auch ethische Grundsatzhaltungen? Ein taz-Text von Jost Maurin trifft auf Dankbarkeit für seine ehrliche Darstellung persönlicher Fragen und Zweifel

Kleider machen Leute – Uniformen machen Soldaten? Zivile Ethik passt nicht in so einen Spind? Und was hat diese Uniform für eine Wirkung auf das Wertesystem im eigenen Kopf? Foto: privat

„Mein Krieg mit der Waffe. Unser Autor hat seine Grundausbildung bei der Bundeswehr abgebrochen. Er konnte Töten nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Doch der russische Angriff auf die Ukraine stellt seinen Pazifismus infrage. Kann man als Kriegsdienstverweigerer Waffenlieferungen gutheißen? Muss man seine Verweigerung zurückziehen?“, taz vom 25. 6. 22

Fabrikation von Helden?

„Mein Krieg mit der Waffe“ von Jost Maurin hat mich sehr berührt. Im derzeit üblichen Meinungsmainstream „Waffen, Waffen, immer mehr Waffen!“ ist es nicht leicht, sich als Pazifist zu „outen“. Herrn Maurin für die sehr persönliche überzeugende Darstellung vielen Dank.

Auf Befehl so viele Feinde wie möglich zu töten, ist Alltag im Krieg, auch schon in der militärischen Ausbildung. Normalerweise gilt das vorsätzliche Töten eines Menschen als Mord und wird mit lebenslanger Sicherheitsverwahrung bestraft. Im Krieg werden die selbstverständlichen ethischen und juristischen Regeln ins Gegenteil verkehrt – Massentötung wird ausgezeichnet. Alle Akteure verrohen.

Für manche ist Krieg wunderbar – die Aktien von Rheinmetall, Heckler und Koch, Krauss-Maffei-Wegmann schießen in die Höhe. Aber einen „gerechten“ Krieg gibt es nicht, auch wenn manche Kirchenleute dieses alte Märchen jetzt wiederbeleben wollen. Ich halte soziale Verteidigung in jedem Fall für besser als einen angeblich noch so gerechten Krieg.

Winfrid Eisenberg, Herford

Was ist das Kriegsziel?

Die Situation von Kriegsdienstverweigerern wurde sehr gut geschildert und kompetent recherchiert. Aktuell habe ich auch keine befriedigende Antwort. Ich habe damals verweigert. (Damals taten dies 1,5 Prozent der „Wehrpflichtigen“). Heute stellt sich die Frage mit 74 Jahren nicht mehr. Es ist richtig, Putin mit Hitler zu vergleichen. Genauso ist es richtig, den Ukrainern gegen den imperialen Überfall auch mit Waffen zu helfen. Aber es bleiben gewichtige Zweifel an dem, was der „Westen“ eigentlich für Ziele verfolgt.

Peter Ploenes, Hamburg

Gewissensentscheidung

Danke für diese eindrucksvolle, ehrliche, sachliche und persönliche Darstellung des Problems. Auch ich habe anlässlich des Ukrainekriegs meine Haltung zur Bundeswehr ins Gegenteil verkehrt. Was das ungelöste Problem des Autors angeht: Man nennt das Arbeitsteilung. Wenn jemand irgendeine Tätigkeit zwar für gesellschaftlich richtig und notwendig hält, diese aber aus irgendeinem Grund nicht persönlich ausführen kann oder will, dann ist es das gute Recht dieser Person, diese Tätigkeit auch tatsächlich nicht auszuführen. Zum Beispiel könnte eine Gynäkologin Abtreibung für gesellschaftlich richtig halten, aber gleichzeitig religiöse Bedenken haben. Die Suche nach letzter, absoluter Wahrheit in den praktischen Entscheidungen unseres realen Lebens ist sowieso nur ein Weg ins Unglück.

Eric Brünner, Karlsruhe

Und taz.de schreibt …

Die Frage, ob ich meine Mutter vor einem gewaltsamen Angriff notfalls auch mit der Waffe schützen würde, beantwortete ich ohne zu zögern mit Ja. Meine nachträgliche Verweigerung wurde natürlich zwei mal in Folge abgelehnt. Schon damals war mir klar, dass ich gegen den Holocaust auch mit der Waffe in der Hand gekämpft hätte – erst einmal gleich, ob auf der Seite der Westalliierten oder damals der UdSSR. Martin L. auf taz.de

Auch ich erinnere mich an viele ernsthafte Gespräche mit Kameraden über unsere Entscheidung und die Realität der Gefechtssituationen, auf die wir vorbereitet wurden.

Ich habe sowohl überzeugten Pazifismus als ernste ethische Haltung respektiert als auch den Zivildienst als ebenso wertvollen Beitrag zum Allgemeinwohl angesehen wie meinen eigenen. Aber ich finde schon, dass, wer den Kriegsdienst verweigert hat und nun wirklich kriegstreiberisch nach Aufrüstung, Waffenlieferungen ruft, zumindest eine solide Erklärung schuldet. Dabei können sich die Betreffenden an diesem Artikel ein Beispiel nehmen. Julian M. auf taz.de

Gehen Sie mal in die Leistikowstraße in Potsdam in die Gedenkstätte des sowjetischen Geheimdienstes. Das Leiden der Ukrainer würde unter Putin sehr individuell und schlimm weitergehen.

Im Angesicht solcher Zustände schießen viele Menschen lieber, als ohne Gegenwehr in so ein System zu geraten.

Regina Fiedler auf taz.de

„Nie wieder Krieg?“

Bestimmt gibt es Wichtigeres auf der Welt, aber weil ich „weichgespülte“ Sprache (siehe Orwell) so hasse: Mann konnte gemäß Grundgesetz nicht den Wehr-, sondern den Kriegsdienst verweigern; wurde mann dann „anerkannt“, wurde mann vom Wehrdienst freigestellt.

Lasst uns Krieg auch als Krieg bezeichnen und weder als „militärische Sonderaktion“ noch als „Verteidigungsfall“. Und ja, dann müssen wir natürlich den Diskurs führen, wann Krieg unvermeidbar und gerechtfertigt ist.

Martin Hennig, Frankfurt am Main

Die Zivilbevölkerung

Sehr geehrter Herr Maurin, auch Sie sind, wie ich, ein gewissensgeprüfter Kriegsdienstverweigerer. Ich möchte allerdings doch eine Frage stellen: Glauben Sie, dass Herr Selenskyi sich im Zweifelsfall anders verhalten würde als Herr Putin? Warum verlagert er das Kriegsgeschehen in die Städte, riskiert schwere Verluste der Zivilbevölkerung?

Nein, das soll die Aggression Putins nicht relativieren, aber haben wir nicht gelernt, dass sich im Krieg alle Parteien unmenschlich verhalten? Drängen wir auf eine Verhandlungslösung. Ich habe das beruflich für Deutschland 30 Jahre lang gemacht. Die besseren Argumente waren immer die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen – nie die in militärischen Operationen gewonnenen Vorteile.

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