: „Meer gibt’s nicht her“
NATUR ESSEN Fisch ist gesund. Wenn er nicht kontaminiert ist. Nachhaltige Fangmethoden und Öko-Aquakulturen können Abhilfe schaffen. Die natürlichen Ressourcen können die enorme Nachfrage aber nicht decken
■ Der WWF und Greenpeace haben jeweils einen Ratgeber für den Fischkauf herausgegeben. In den Broschüren ist detailliert aufgeführt, welche Arten aus welchen Beständen wild oder gezüchtet mit gutem Gewissen gekauft werden können. Die Broschüren können unter folgenden Adressen heruntergeladen werden: www.wwf.de/fisch und www.greenpeace.de/themen/meere/fischerei
■ Die in England gegründete Kampagne Fishfight fordert das Ende der verschwenderischen Rückwürfe von Beifang in EU-Meeren. Der Appell kann hier unterzeichnet werden: www.fishfight.de (lk)
VON LARS KLAASSEN
Ein- bis zweimal in der Woche darf etwas aus See, Fluss oder Meer auf den Teller kommen. Das empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Aber Umweltverschmutzung und Massenzucht führen in vielen Fällen dazu, dass Speisefische mit Schadstoffen und Medikamentenresten kontaminiert sind. Vor allem was aus Flüssen, Küsten und Binnenmeeren wie etwa der Ostsee stammt, enthält in der Regel mehr Schadstoffe als Tiere aus dem offenen Ozean.
Entscheidungen beim Fischkauf wirken sich nicht nur auf die persönliche Gesundheit aus, sondern auch auf das Fortbestehen ganzer Arten: Fast 90 Millionen Tonnen Fisch und Meerestiere holt die globale Fischindustrie Jahr für Jahr aus den Ozeanen. 80 Prozent aller Fischbestände, so der World Wide Fund For Nature (WWF), sind bereits gefährdet. Experten warnen, dass bis 2048 ein Kollaps der kommerziell genutzten Fischbestände droht. Zudem verursacht die Fischindustrie gigantische Kollateralschäden: Viele Millionen Tonnen Meereslebewesen landen jedes Jahr unbeabsichtigt in den Netzen als sogenannter „Beifang“. Bis zu 20 Kilo Meerestiere werden pro Kilo Fisch mitgefangen, dabei getötet und zurück ins Meer geworfen.
Um Fisch umweltbewusst einkaufen zu können, benötigen Verbraucher Informationen. „Ob frisch, tiefgefroren oder eingedost: Auf jedem Produkt sollte stehen, wie der Fisch heißt, woher er stammt und wie er gefangen oder produziert wurde“, sagt Greenpeace-Meeresbiologin Iris Menn. Die Umweltschutzorganisation testete 2011 die Kennzeichnung von Fischprodukten. Das Ergebnis: Fast 40 Prozent der untersuchten Produkte waren schlecht gekennzeichnet. Das heißt: zwei bis drei essentielle Informationen fehlten, etwa das Fanggebiet, Sub-Fanggebiet oder die Fangmethode. „Achten Sie auf diese Angaben – und fordern Sie sie ein, wenn sie fehlen“, sagt Iris Menn. So könne man zum Beispiel bestimmten Fangmethoden den Vorzug geben: „Pelagische Netze“ etwa, mit denen Schwarmfische wie Heringe und Makrelen gefangen werden, richten relativ wenig Schaden an. Unter anderem setzt der Tiefkühlfischanbieter Followfish um, was Meeresschützer für alle Fischprodukte fordern: Die Herkunft der Ware lässt sich über einen Code auf der Verpackung bis zum Kutter zurückverfolgen. Das Sortiment reicht von Bio-Lachs, Fischstäbchen bis hin zu Thunfischsteak. Followfish-Produkte gibt es in Bioläden und einigen Supermärkten. Eine Mobile App erleichtert den Einkauf (nähere Infos unter www.followfish.de).
Ein Bio-Siegel gibt es für wild gefangenen Fisch zwar nicht. Orientierung gibt aber zum Beispiel das Marine Stewardship Council (MSC, im Internet unter www.msc.org/de). Dieses Label wurde vom WWF und dem Lebensmittelkonzern Unilever ins Leben gerufen. Damit werden nachhaltige Fischereien zertifiziert. Die Standards des Siegels Friend Of The Sea (FOTS, im Internet unter www.friendofthesea.org/de) sind teilweise strenger als beim MSC: so dürfen Meeresböden nicht beeinträchtigt werden und nicht mehr als acht Prozent Beifang anfallen. Die Zertifizierung ist kostengünstig und auch kleineren, traditionellen Fischern zugänglich. „Allerdings“, kritisiert Greenpeace, „sind Zertifizierungsprozess und Kontrollen weniger gründlich und transparent als beim MSC.“ Zudem seien die Richtlinien für Fisch aus Aquakultur unzureichend. Das Label Dolphin Safe (www.delfinschutz.org) garantiert, dass beim Thunfischfang keine Delfine gehetzt oder eingekesselt und keine Treibnetze eingesetzt werden. „Für den Schutz der Delfine hat es viel bewirkt“, so Greenpeace. „Es sagt aber nichts über die Thunfischbestände aus, die oft von internationalen Industrieflotten ausgebeutet werden – auf Kosten der Fischer kleiner Pazifikstaaten.“
Auch Aquakulturen, die 47 Prozent des weltweiten Bedarfs decken, sind bedenklich. „Meist ist Aquakultur schlicht Massentierhaltung unter Wasser“, so Menn. Besser seien Produkte aus Öko-Aquakulturen, etwa mit dem „Naturland“-Siegel (www.naturland.de). „Sie versuchen, die Umweltfolgen zu minimieren.“ Bei beim Kauf von Fischen aus Aquakulturen geht es auch um die eigene Gesundheit: In Ware, die aus solchen Zuchten kommt, finden sich immer wieder Rückstände von Antibiotika und Pestiziden. Die Umwelt wird durch solche Zusätze ebenfalls geschädigt. Das Greenpeace-Fazit hinsichtlich der Label: „Auch wenn bei den Zertifikaten die Kriterien nicht streng genug sind, sind sie ein Schritt in die richtige Richtung.“
Aquakulturen können nicht nur die unmittelbare Wasserwelt schädigen: Für Shrimps-Farmen werden in Ecuador zum Beispiel riesige Flächen an Mangrovenwäldern gerodet. Damit gehen natürliche Wellenbrecher an den Küsten verloren, die zudem als Lebensraum zahlreicher Fischarten dienen. Durch den enormen Süßwasserbedarf der Aquakulturen wird regionales Grundwasser knapp und salzig. Brechen Zuchttiere aus, verdrängen sie langfristig Wildpopulationen. Und dann ist da noch das Problem mit dem Futter: Für ein Kilo gezüchteten Lachs werden bis zu fünf Kilo wild gefangener Fisch verfüttert, bei Thunfisch beträgt das Verhältnis gar 1:20 – Überfischung also auch hier.
Ein Problem bleibt auch beim bewussten Einkauf: Die natürlichen Ressourcen können die enorme Nachfrage nicht decken. „Wir sollten Fisch und Meeresfrüchte deshalb als das ansehen, was sie sind: etwas Kostbares, das man bewusst und in Maßen genießen sollte“, sagt Menn. Warum nicht zurück zu alten Gewohnheiten? Früher gab’s Fisch ja auch nur freitags. „fair-fish“ empfiehlt sogar: „Nur einmal pro Monat – Meer gibt’s nicht her“.