piwik no script img

Tampon in der Faust

Auf dem Linken-Parteitag wird Blut fließen

Tamponfoto: Isabel Lott

Was hat die Partei Die Linke mit der Menstruation zu tun? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir hier einen ganz weiten Bogen schlagen.

Im Englischen gibt es den Begriff der „Nursery Rhymes“. Das sind Gedichte oder Lieder, die britischen Kindern von ihren Müttern vorgesungen werden und deren Zeilen sich deshalb in den Köpfen festsetzen. Werden diese Verse nur angedeutet, kann jedes englischsprachige Kind den Rest sofort ergänzen.

Im Deutschen hatten früher allenfalls die populären Reime Wilhelm Buschs einen vergleichbaren Stellenwert. Begann wer zu zitieren: „Dieses war der erste Streich …“, konnten alle Hörer ergänzen: „… doch der zweite folgt sogleich.“ Und die passenden Bilder aus „Max und Moritz“ standen stracks vor den Augen.

Diese bildmächtige Bedeutung der Poesie hat heutzutage die Werbung übernommen. Fängt ein Satz an mit den Worten: „Haribo macht Kinder froh …“, rundet es sich im Kopf schnell zu: „… und Erwachsene ebenso“.

Damit sind wir bei der Linken und der Menstruation. Wenn die Nachrichtenagentur AFP zwei Tage vor dem Beginn des wichtigen Parteitags der zerstrittenen Linken in Erfurt einem historischen Überblick über „Grabenkämpfe in der Partei“ den Titel gibt: „Die Geschichte der Linken ist eine Geschichte …“ – na, mit welchen Worten vervollständigen Leser diese Zeile? Genau: „… eine Geschichte voller Missverständnisse“.

Das AFP-Stück spielt an auf die legendäre Tamponwerbung Anfang der neunziger Jahre: „Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse.“ Zu weit hergeholt? Könnte sein. Verwiesen sei aber nur auf die „Grabenkämpfe“ in „Erfurt“. Und auf das, was sich hintergründig im Kopf des erstaunlicherweise männlichen Verfassers der AFP-Meldung abspielt: Beim Linken-Parteitag wird Blut fließen.

Hoffentlich wird es dann nicht zu blutig. Wer von den Linken aber könnte das rettende Tampon sein? Die Vorsitzende Janine Wissler? Wie hieß es damals in dem Werbespot von ob? „Das Tampon nimmt die Regel dort auf, wo sie passiert.“ Und dann umschloss die Werbedame – eine „Journalistin“ namens „Bettina Schmitz“ – das Watteding mit ihren Fingern und bildete eine Faust. Das ist also der Ort, an dem das linke Blut fließt: in der geballten Arbeiterfaust. O weh, ob! O weh, o Linke!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen