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Archiv-Artikel

Ohne Moos nix los

DEBATTE Das Urheberrecht steht unter Beschuss. Ob nun Piraten oder bebrillte Internetnerds, sie scheinen sich einig zu sein: Bereit zum Entern!

PRO VON KEVIN TARUN

Das bestehende Urheberrecht schützt Künstler und ihre Werke. Die Gegner fordern, dass Kunst direkt ins Netz gestellt und somit einer größeren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Dabei ignorieren sie jedoch, dass der digitale Großverleger Google keine Aufnahmekriterien für seine weltweite Datenbank hat. So speit uns Google einen Brei auf die Bildschirme, in dem bedeutsame Werke mit Trash und Werbung vermengt sind. Das Netz verlegt grundsätzlich alles. Das ist der große Unterschied zum klassischen Verlagswesen, das seine Gegner als „profitgeilen Verwerter“ dämonisieren.

Was hierbei aber vergessen wird, ist der Strom, der die Kulturindustrie am Laufen hält: Der Kapitalstrom, der technisches Equipment, tiefer gehende Recherchen, Lektoren sowie die PR bezahlt. Außer all diesen Leistungen verleugnen die Webfetischisten, dass Verlage den Kulturschaffenden Zeit durch die kommerzielle Verbreitung ihrer Werke verschaffen: Ohne ihren Interessenvertreter – den Verlag – müssten sie einem Zweitjob nachgehen, der Zeit und Konzentration raubt.

Im blinden Rausch des Verlagsbashings könnte man leicht auf die Idee kommen, auch tradierte Zeitungsverlage und Redaktionen einzuäschern – denn dort werden Produkte ja auch nicht ins Netz gestellt, ohne dass jemand dafür entlohnt wird. Warum Verlage nicht eingerissen werden? Weil wir nicht darauf setzen dürfen, dass Qualitätsjournalismus und damit Demokratie von unbezahlten Redakteuren gesichert wird, die ihren Unterhalt anderweitig bestreiten müssen und aus purer Selbstlosigkeit schreiben.

Für Journalismus, aber eben auch für Kultur gilt: „Zeit ist Geld.“ Umgekehrt heißt das: Geld erkauft Zeit. Ohne Gehalt, das hauptberufliche Journalisten oder Künstler über das Verlagswesen verdienen, würde ihnen diese Zeit fehlen. Verlage und Kapital allein garantieren Qualität zwar nicht – aber sie können ein tragfähigeres Fundament für konzentrierte Arbeit schaffen, als eine gestresste Altruistenarmee es könnte. Die Legalisierung des freien Kopierens würde die notwendigen Kapitalströme eindämmen, das Verlagswesen mittelfristig zum Einsturz bringen und damit das Fundament für Qualität unterspülen.

CONTRA VON MORITZ LOHMANN

Das Urheberrecht wird hintergangen, und der Staat scheitert am Eindämmen der Internetkriminalität. So viel steht fest: Es scheint beinahe unmöglich zu sein, in der Anonymität des World Wide Web Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Natürlich gibt es Lösungsansätze der Regierungen. Wirklich ernst zu nehmen sind diese nicht. Totale Überwachung des Internets oder eine Verbannung, bloß weil mehrmals illegal Musik heruntergeladen wurde, sind nicht tragbar.

Das Abschaffen des Urheberrechts ist es auch nicht. Worum geht es? Es geht um eine Modernisierung. Die NutzerInnen werden meist unbewusst kriminell. Der Grund dafür ist die Unüberschaubarkeit des Urheberrechts. Darf man zum Beispiel ein Lied parodieren und das im Internet veröffentlichen? Wie viel Text darf man aus einem Buch zitieren, ohne eine Straftat zu begehen? Gute Frage, nächste Frage.

Ein Vorschlag zur Vereinfachung ist das Prinzip „Fair Use“. Die Parodie des Liedes wäre dann zweifelsfrei möglich, solange mit ihr kein Geld verdient wird. Auf diese Weise, im amerikanischem Rechtsraum längst anerkannt, würde auch in Deutschland kunstschaffenden Laien mehr Freiraum geboten. Die Interessen der Urheber müssen gewahrt bleiben, es muss jedoch ein Kompromiss mit den Nutzern gefunden werden.

Neue Regelungen müssen her. Spielregeln, die möglichst viele Menschen als gerecht empfinden. Nur dann besteht die Chance, dass sie auch eingehalten werden.

Den Beweis dafür liefern die stetig steigenden Nutzerzahlen des Musik-Streaming-Anbieters www.spotify.com. Bei diesem amerikanischen Modell werden Lizenzgebühren unter anderem über Werbung finanziert. Der Nutzer hat die Möglichkeit, entweder kostenfrei einen eingeschränkten Dienst zu nutzen oder alternativ ein Abonnement abzuschließen und dafür unbegrenzt online Musik zu hören.

Für Verleger und Plattenfirmen ändert sich also nicht viel. Auf welchem Weg sie für ihre Arbeit bezahlt werden, spielt keine Rolle. Es gibt aber den entscheidenden Vorteil: Jeder Mensch kann auf Kunst zugreifen, ohne dass finanzielle Möglichkeiten eine Rolle spielen.