„Der Kunde sollte sich nicht zu früh freuen“

Marktforscher Helmut Deecke zweifelt, ob das neue Konzept „Mehr Filialen, weniger Service“ Erfolg haben wird

taz: Herr Deecke, die Post will 300 Filialen eröffnen. Ein neuer Trend zum Service?

Helmut Deecke: Die Kunden sollten sich nicht zu früh freuen, denn künftig sollen nur Basisdienste angeboten werden. Die Post will herausfinden, ob die Kunden weniger Service akzeptieren.

Wenn die Filialen so lästig sind, warum schließt die Post nicht einfach viele ab 2007?

Die Post macht mehr als 60 Prozent ihres Ertrags mit Briefen bis zu 100 Gramm. Dieses Basisgeschäft will die Post behalten, aber kostenintensive Sonderdienste möchte sie loswerden – wie das „Einschreiben mit Rückschein nach Abu Dhabi“, das Postchef Zumwinkel so gern als seine Horrorvision zitiert.

Das Experiment erinnert ein bisschen an die Deutsche Bank, die ihre Privatkunden auch nur noch mit Basisdiensten abfertigen wollte. Das hat sich dort gerächt. Könnte auch die Post Kunden verlieren?

Eine ungeklärte Frage. Bis Ende 2007 hat die Post noch das Briefmonopol bis 50 Gramm. Aber es könnte durchaus sein, dass sich danach andere Briefdienste etablieren, die der Post regional die Kunden streitig machen. Denn schon heute gibt es Wettbewerber, die Standardbriefe für 43 Cent oder weniger befördern. Es wird wie auf dem Handymarkt, nur nicht ganz so verwirrend. Es können auch ganz neue Produkte entstehen: etwa das Angebot an ältere Leute, die Post bei ihnen zu Hause abzuholen. Oder die „B-Post“, die mehrere Tage dauert, aber dafür billiger ist.

Seit dem Wochenende ist das Exstaatsunternehmen Post mehrheitlich in Privatbesitz. Die Dividende dürfte noch wichtiger werden. Was folgt für die Kunden?

Die Post AG hat schon gezeigt, dass Ertragsoptimierung nicht unbedingt mehr Service bringt. Das Image ist ramponiert, weil zum Beispiel deutlich mehr Sendungen verloren gehen. Die Postboten stehen so unter Leistungsdruck, dass bestimmte Straßen nur noch jeden zweiten Tag versorgt oder Pakete nicht mehr in den fünften Stock getragen werden. Stattdessen findet der Kunde eine Benachrichtigung im Briefkasten.

Vom Monopol zur Konkurrenz: Was wird mit den Arbeitsplätzen bei der Post passieren?

Ein liberalisierter Briefmarkt kann durchaus eine Jobmaschine sein. Die Konkurrenz macht Werbesendungen drastisch billiger, also gibt es mehr davon; außerdem drängen neue Briefprodukte auf den Markt. Allerdings gibt es mehr Teilzeit- oder 400-Euro-Jobs.

INTERVIEW: SEBASTIAN SEIFFERT