berliner szenen: Das grüne Licht der Sonntage
Wegen des Lichtes, das mich im Bett erreicht, gefiltert durch das Gerüstschutznetz mit grünlichen Tönen, denke ich oft, es sei Sonntag. Ich bekomme davon eine Sehnsucht, die ich vorerst nicht nachvollziehen kann. Ich weiß nicht, wonach ich mich sehne. Doch es ist eine Sehnsucht, die Spuren von Siesta, Langsamkeit, Sommer, Weinranken und gegrilltem Fleisch beinhaltet.
Irgendwann erinnere ich mich: Meine Großeltern, die in einer ländlichen Gegend wohnten, hatten eine Fliegengittertür aus diesem grünen Netz gegen Moskitos. So erkläre ich mir, woher das vertraute Gefühl kommt. Wenn ich zu Besuch war oder die Ferien bei ihnen verbrachte, spielte ich im Haus, so leise ich konnte, und unter der Weinranke, wo es im Sommer ein bisschen frischer war, während alle Siesta hielten und schliefen. Mein Opa machte „Asado“ (Grill), was in Argentinien eine Sonntags-Tradition ist. Auch Bauarbeiter machen dort auf der Straße „Asados“ (während der Woche), und so riecht es im ganzen Kiez nach gegrilltem Fleisch.
Die Bauarbeiter, die die Fassade meines Wohnhauses renovierten und drei Monate lang auf meinem Balkon arbeiteten, sind nicht mehr da. Sie grillten nicht, sondern aßen vor der Eingangstür Brötchen oder etwas aus einer Tupperdose, rauchten und benutzten das Dixi-Klo auf dem Bürgersteig.
Dann war es auf einmal still auf dem Balkon. Niemand gab mir Bescheid, dass die Renovierungsarbeiten fertig wären. Aber der Nachbar sagte mir, dass die Bauarbeiter nicht wiederkommen. Langsam stelle ich meine Pflanze wieder raus. Manche auch auf das Gerüst. Ich hoffe, dass es ein bisschen bleibt. Mittlerweile habe ich mich an das Licht gewöhnt und denke gerne an meine Kindheit zurück, wenn ich sonntags im Bett meinen Kaffee trinke.
Luciana Ferrando
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