Linke Mehrheit für François Hollande

FRANKREICH Der neue Präsident kann nach dem ersten Wahlgang auf eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung hoffen

In mindestens zwei Wahlkreisen hat der Front National echte Chancen auf einen Sitzgewinn

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Sieg für Frankreichs Linke: Aufgrund der Ergebnisse des ersten Durchgangs der Parlamentswahlen können die linken Parteien darauf hoffen, dass sie mit einer Mehrheit in der Nationalversammlung regieren können. Laut Hochrechnungen der Zeitung Le Monde dürften Präsident François Hollande und die parlamentarische Linke für die nächsten fünf Jahre über 310 bis 356 Sitze verfügen. Unklar bleibt allerdings nach dem ersten Wahlgang am Sonntag, ob die Sozialisten auf ihre linken Partner angewiesen sein werden. Für die absolute Mehrheit werden mehr als 289 Mandate benötigt. Die Sozialisten kamen im ersten Wahlgang auf 34,4 Prozent. Die Grünen erreichten 5,7 Prozent, die Linksfront von Kommunisten und Linkspartei 6,8 Prozent.

Auf der Gegenseite hat sich die konservative UMP des früheren Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy eher gut gehalten. Mit 34 Prozent hat sie etwa gleich viele Stimmen erhalten wie die Sozialisten. Doch die Parteistärke sagt wenig über die wahren Kräfteverhältnisse aus. Denn die Sozialisten hatten nur in 450 von 577 Wahlkreisen eigene Kandidaten aufgestellt, was den nationalen Durchschnitt senkt. Vor allem aber verfügt die UMP nicht über zusätzliche Verbündete oder Stimmenreserven für den zweiten Wahlgang, während die Sozialisten mit Grünen, Linksfront und diversen Linken wie immer zusammenhalten.

Die UMP kann daher den Verlust ihrer über zehn Jahre gehaltenen Mehrheit nicht vermeiden. Mit voraussichtlich 210 bis 263 Sitzen dürfte sie aber einen wesentlichen Teil ihrer Kraft als Opposition wahren. Der frühere Innenminister Brice Hortefeux sagte denn auch, letztlich sei die „rosarote Welle“ und damit der Triumph der Linken ziemlich bescheiden ausgefallen.

Ohnehin bleibt abzuwarten, ob die Wähler den Linksrutsch des ersten Wahlgangs auch am kommenden Sonntag bestätigen. In den insgesamt 577 Wahlkreisen wurden nur 36 Kandidatinnen und Kandidaten auf Anhieb gewählt, in allen übrigen kommt es am kommenden Sonntag zu Stichwahlen. In 46 Fällen sind aufgrund ihrer Stimmenanteile nicht nur zwei, sondern drei Kandidaten für die Schlussrunde qualifiziert.

In den meisten Fällen ist diese Situation dem starken Abschneiden des rechtsextremen Front National (FN; landesweit 13,6 Prozent) zu verdanken. In mindestens zwei Wahlkreisen hat der FN echte Chancen auf einen Sitzgewinn. Das ist namentlich in Nordfrankreich der Fall, wo Parteichefin Marine Le Pen 42 Prozent erhalten und ihren direkten politischen Erzfeind Jean-Luc Mélenchon von der Linksfront sogar aus der Stichwahl eliminiert hat. FN-Sprecherin Le Pen kündigte an, keiner ihrer insgesamt 61 für Stichwahlen qualifizierten Kandidaten werde sich zurückziehen. In anderen Fällen schließt sie Wahlempfehlungen für oder gegen Vertreter anderer Parteien aber nicht aus.

Im Carpentras, wo Marine Le Pens Nichte Marion Maréchal nach der ersten Runde an der Spitze liegt, verzichten die Sozialisten zugunsten des besser platzierten UMP-Kandidaten. Die UMP lehnte aber den Vorschlag der Sozialisten ab, sich generell auf einen solchen Pakt gegen rechts außen zu einigen. Wo Linke gegen FN-Kandidaten antreten, werde die UMP sich weder für die einen noch die anderen aussprechen, sagte Parteichef Jean-François Copé. In Lothringen rief die frühere UMP-Ministerin Morano öffentlich alle FN-Wähler, die mit ihr „gemeinsame Grundwerte“ teilten, dazu auf, sie gegen die Linke zu unterstützen.