: Auf der Suche nach der Regulierungsformel
Die Netzagentur soll auf dem deutschen Strommarkt für sinkende Preise sorgen. Wie genau, weiß sie noch nicht
BERLIN taz ■ Das Bundeskartellamt hat gestern vor Gericht einen Etappensieg gegen die Stadtwerke Mainz erzielt. Die Kartellwächter dürfen bei der Beurteilung von Durchleitungsgebühren, die rund ein Drittel des Strompreises ausmachen, unterschiedliche Konzerne miteinander vergleichen.
Das Amt hatte die Kalkulation der Stadtwerke mit der des Energiekonzerns RWE abgeglichen und war im April 2003 zu dem Urteil gekommen, dass die Mainzer etwa 10 Millionen Euro zu viel verlangten. Die Stadtwerke hatten gegen diesen Vergleich geklagt und vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Recht bekommen. Das muss den Fall nun wieder aufrollen.
Noch ist also nicht klar, ob die Tarife in und um Mainz sinken werden. Einen Streit um die Methode hingegen dürfte es in Zukunft nicht mehr geben. Denn in wenigen Wochen wird die Netzagentur in Bonn für die Regulierung des Energiemarktes zuständig sein, die auch die Preise für die Durchleitung genehmigen muss. Maßstab für die Branche soll immer das Unternehmen mit den niedrigsten Preisen sein. „Simulation von Wettbewerb“ nannte das der Präsident der Netzagentur, Matthias Kurth, gestern in Berlin. Diese künstliche Konkurrenz – im Fachjargon „Anreizregulierung“ genannt – soll den effizientesten Unternehmen höhere Renditen ermöglichen und dennoch zu sinkenden Preisen und mehr Wettbewerb in der Energiebranche führen.
Noch steht die genaue Formel, mit der Kurths Fachleute die Kalkulationen der Konzerne überprüfen werden, nicht fest. Soll der Endpreis oder die Gewinnspanne der Netzbetreiber begrenzt werden? Was nützt dem Kunden, was überfordert die Unternehmen? Ein Jahr hat die Agentur Zeit, bis die Verordnung stehen muss. Erfahrungsberichte aus anderen Ländern können dabei helfen. Aus Großbritannien zum Beispiel.
Dort habe der Druck des Regulierers zwar zur Stellenreduzierungen bei den Stromkonzernen geführt, sagte John Mogg, Vorsitzender der britischen Regulierungsbehörde. Die Entgelte für die Netznutzung seien aber seit den 90er-Jahren um 50 Prozent gesunken. „Und die Lichter sind noch nicht ausgegangen.“ Damit wandte er sich an die deutschen Konzerne, die ihre hohen Preise mit Investitionen zur Versorgungssicherheit begründen. Zwar räumte John Mogg wie auch Joan MacNaughton vom britischen Handelsministerium ein, dass es in ihrem Land noch zu Stromausfällen komme. Die Netze seien aber besser geworden, betonte MacNaughton, weil seit der Regulierung 13 Milliarden US-Dollar privates Kapital investiert worden seien.
Auch Kurth zeigte sich überzeugt, dass eine Anreizregulierung nicht zu schlechterer Qualität der Netze führen muss. Ein Autohersteller würde ja auch nicht wettbewerbsfähiger werden, indem er die Bremsen an den Autos weglässt. Zudem hätten die Briten Qualitätsstandards in ihre Formel eingebaut. Die Töchter der deutschen Konzerne Eon und RWE seien im Vereinigten Königreich erfolgreich und hielten dort 12 bzw. 11 Prozent Marktanteil. „Es geht doch“, sagte Kurth. STEPHAN KOSCH
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