Tauschbörsen haften für ihre Nutzer

US-Gericht: Betreiber von Online-Tausch-Plattformen können für das rechtswidrige Herunterladen von Musik oder Filmen zur Verantwortung gezogen werden. Hollywood-Studios und Musikkonzerne fühlen sich als Sieger auf der ganzen Linie

VON NICOLA LIEBERT

Umfangreiche Musiksammlungen legte man bislang am einfachsten und billigsten übers Internet an. Auf Tauschbörsen wie Grokster, Morpheus oder Kazaa kann man die eigenen digital gespeicherten Musiktitel oder auch Filme anbieten und sich im Gegenzug bei anderen Mitgliedern kostenlos bedienen. Für die Film- und Phonobranche ist das nichts als organisierte Piraterie – und ein am Montag ergangenes Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA gibt ihnen nun Recht.

Die Betreiber der Tauschbörsen, die die notwendige Software zur Verfügung stellen, seien für die Aktivitäten ihrer Nutzer haftbar, so die Richter. Allerdings mache sich nur strafbar, wer die Technologie mit dem Ziel anbietet, die Verletzung von Urheberrechten zu ermöglichen. Bloßes Wissen über mögliche Copyright-Verletzungen durch Nutzer sei noch kein Haftungsgrund. Apple zum Beispiel, das sich um Kopierschutz für Downloads aus seinen elektronischen iTunes Music bemüht, dürfte deshalb wohl nicht betroffen sein – ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz der kostenlosen Tauschbörsen.

Das Gericht fand nämlich ausreichende Anhaltspunkte, dass Tauschbörsen wie Grokster und Morpheus nicht genug zur Abwehr der illegalen Kopiertätigkeit getan hätten. Ohne eine Gegenstimme kippten die obersten US-Richter damit eine Reihe von Urteilen niederer Instanzen, wonach die Betreiber der Tauschbörsen nicht für das rechtswidrige Tun ihrer Nutzer verantwortlich gemacht werden könnten.

Mit ihrem Urteil ließen sie eine Klage des Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer zu, der sich mehr als zwei Dutzend weitere Film- und Musikkonzerne sowie tausende kleinere Labels und Musiker angeschlossen haben. Die Branche habe durch die Online-Musikbörsen einen Umsatzeinbruch um 25 Prozent erlitten, so die Kläger. Damit dürfte nun eine Klagewelle auf die Tauschbörsen losrollen, die das Erbe von Napster angetreten hatten. Der Branchenpionier war schon 2001 von einem US-Gericht stillgelegt worden.

Die Plattenindustrie freute sich: „Die Entscheidung des Obersten US-Gerichtshofs ist ein Durchbruch für die Pirateriebekämpfung im Internet“, so Gerd Gebhardt, Chef der Deutschen Phonoverbände. Die Tauschbörsen enthielten „fast immer illegale Angebote“. Nach Verbandsschätzungen wurden in Deutschland allein 2004 fast 400 Millionen Musiktitel aus illegalen Quellen heruntergeladen. Unterstützer von Morpheus-Betreiber StreamCast und Grokster hatten das US-Gericht erfolglos auf ein ähnliches Urteil von 1984 hingewiesen. Damals entschieden die Richter, dass Sony nicht für Raubkopien haftete, die Nutzer auf Sony-Videorekordern herstellten.

„Sinnvolle technologische Innovationen sollten nicht an den Knien abgehackt werden, bevor sie überhaupt zu laufen gelernt haben“, argumentierte StreamCast-Anwalt Matthew Neco. Wären solche Urteile schon früher gefällt worden, hätten sie die Entwicklung von Videorekordern oder CD-Brennern im Keim erstickt – und es hätte wohl nie einen iPod gegeben. Das „Knebelurteil“ würge eine starke wirtschaftliche Dynamik einfach ab und läute „eine neue Ära der Unsicherheit für Amerikas Innovatoren“ ein, so ein Jurist der Bürgerrechtsgruppe Electronic Frontier Foundation.

Künftig trügen Erfinder nicht nur die Kosten für Entwicklung und Vermarktung eines neuen Produkts, sondern auch für die Klagen, falls jemand dieses Produkt für illegale Zwecke einsetze. Statt brachialer Urteile solle der Missbrauch lieber mit einer brancheninternen Selbstkontrolle oder notfalls auch Gesetzen bekämpft werden.

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