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„Mit männlichen Körpernwürde man solche Sachen nie wagen“

Der taz Salon diskutiert in Hamburg und Hannover die Chancen auf weibliche Selbstbestimmung

Dinah Riese

32, ist seit 2018 taz-Redakteurin in Berlin, Journalist*in-nenpreis „Der lange Atem“ für ihre Beiträge zur Diskussion um § 219a, also das Verbot für Ärzt*innen über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren.

Interview Benno Schirrmeister

taz: Gibt es Aussicht auf wirklich selbstbestimmte Weiblichkeit, Dinah?

Dinah Riese: Ja. Wir sind zwar wirklich noch weit davon entfernt. Aber es gibt gute Grundlagen dafür, weil reproduktive Rechte, also das Recht, selber zu entscheiden, ob und wann man Kinder bekommt, inzwischen seit Jahrzehnten international als Menschenrecht anerkannt ist. Das ist ja schon mal ein guter Start.

Bloß wird es trotzdem immer wieder eingeschränkt, wie das Buch zeigt, das du zusammen mit Gesine Agena und Patricia Hecht geschrieben hast?

Es ist noch nirgendwo auf der Welt zufriedenstellend umgesetzt, und ja, es ist akut bedroht: Um zu erkennen, dass wir noch sehr weit von einem Idealzustand entfernt sind, muss man ja nur in die USA gucken, wo der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen gegenwärtig in Frage gestellt wird.

Aber warum fällt es gerade hier so schwer, das Erreichte zu bewahren?

Man darf nicht nur auf die Rückschritte schauen. Ja, die schlechten Beispiele wie die USA oder auch Polen gibt es, aber wir haben in den vergangenen Jahren auch sehr gute Entwicklungen gesehen.

Wo?

Zum Beispiel in Argentinien, in Mexiko, Neuseeland oder auch in Irland, das bis vor Kurzem eins der strengsten Schwangerschaftsabbruchs-Verbote Europas hatte und das 2018 mit einem spektakulären Referendum für Legalisierung gestimmt hat. Die haben dort jetzt ein liberaleres Recht als Deutschland.

Aber auch ein Plebiszit ist doch nur eine Fremdbestimmung, die zum Glück auch mal gut ausgeht. Oder würden Männerkörper ähnlich gesetzlich reglementiert?

Nein, mit männlichen Körpern würde man solche Sachen nie auch nur ansatzweise wagen. Das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen wird immer höher erachtet, außer, es geht ausdrücklich um weibliche Körper. Bei so etwas Gravierendem wie einer Schwangerschaft maßt sich der Gesetzgeber an, Frauen die Entscheidung abzunehmen. Es gibt in Deutschland, man muss das so sagen, eine Austragungspflicht. Dazu gibt es kein männliches Pendant.

taz Salon: Ihr Buch „Selbstbestimmt“ stellen Gesine Agena, Patricia Hecht und Dinah Riese vor in Hamburg: heute, 17. Mai, 19.30 Uhr, Kulturhaus 73 und in Hannover: Mi., 18. Mai, 19 Uhr, Faust. Es moderiert Nadine Conti.

„Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte“, Berlin, Wagenbach, 208 S., 22 Euro

Gestützt wird die durch hochgradig verzerrte Diskurse: Da paart sich die populäre Warnung vor einem völlig fiktiven Post-Abortion-Syndrom mit einer radikalen Tabuisierung von Risiken wie postpartaler Depression und -Psychose. Dabei sind die vergleichsweise häufig. Lässt sich diese Schieflage bearbeiten?

Ja, aber es ist schwierig: Das von US-amerikanischen Abtreibungsgegnern erfundene Post-Abortion-Syndrom entbehrt zwar jeder wissenschaftlichen Grundlage. Als Propagandamittel ist es aber leider sehr wirksam: Auch die ursprüngliche Fragestellung der vom früheren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bestellten Studie zu den Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen hatte genau dieses Wording aufgegriffen – die For­sche­r*in­nen waren zum Glück klüger. Aber diese Schieflage zeigt gut, warum es so wichtig ist, Geburt und Abtreibung als reproduktive Rechte zusammen zu denken – und sich klar zu machen, wie sie idealisiert und tabuisiert werden.

Werden sie?

Das Narrativ zu Abtreibungen ist, dass die Frau es ganz schwer haben muss. Dass sie leidet und sich in einer totalen Notsituation befindet: Nur dann kann man ihr irgendwie zugestehen, dass sie das doch unter Umständen machen darf. Gleichzeitig ist Mutterschaft so sehr idealisiert, wie kaum etwas anderes. Das Bild von der glücklichen Mutter, die freudestrahlend mit rosigen Wangen im Wochenbett liegt und ihr Baby schaukelt, darf nicht angetastet werden. Dabei bedeutet das Wochenbett: Es tropft aus allen Ecken des Körpers. Man ist geschunden, die Emotionen, die Hormone, und so weiter. Darüber wird nicht gesprochen, die postnatale Depression bleibt tabu, obwohl sie nicht selten ist: Das passt einfach nicht zum Bild der glücklichen Mutter.

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