Pressefreiheit gilt auch für Rechtsextreme

Die nationale Postille „Junge Freiheit“ siegt vor dem Bundesverfassungsgericht: Über die Aufnahme des Blatts in verschiedene Verfassungsschutzberichte muss nun neu entschieden werden. Die Richter werten Erwähnung als Eingriff in Grundrechte

Auch eine rechte Publikation kann durchaus pluralistisch sein

AUS KARLSRUHECHRISTIAN RATH

„Typisch für die Junge Freiheit ist das geschickte Agieren in einem Grenzbereich von demokratischem Konservativismus, Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus“ – so heißt es im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen von 2004. Auch die VS-Berichte vieler anderer Bundesländer und des Bundes listen die rechtsintellektuelle Wochenzeitung im Kapitel „Rechtsextremismus“ auf.

Gegen diese Praxis hat die Zeitschrift jetzt einen spektakulären Erfolg erzielt. Gestern gab das Bundesverfassungsgericht bekannt, dass über die Aufnahme der Postille in den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht der Jahre 1994 und 1995 neu entschieden werden muss. Die Junge Freiheit klagt in einem Musterverfahren schon seit Jahren und hatte bisher in allen Instanzen verloren.

Von grundsätzlicher Bedeutung – auch für linke Projekte – ist die Annahme der Verfassungsrichter, dass bereits die bloße Aufnahme in einen Verfassungsschutzbericht einen Eingriff in Grundrechte darstelle. Bisher hatte Karlsruhe dies verneint. Bei einer Zeitung stelle die Erwähnung einen Eingriff in die Pressefreiheit dar, weil sie die Einwerbung von Anzeigen, Abonnements und journalistischen Beiträgen erschwere.

Verboten ist die Erwähnung der Jungen Freiheit damit nicht – allerdings betonen die Richter, dass der Eingriff verhältnismäßig sein muss. Daran zweifeln sie, weil manche der 1994/95 beanstandeten Artikel gar nicht von der Redaktion, sondern von Gastautoren stammten. Ein Beitrag, der dazu diente, die ausländerfeindliche Tendenz der Zeitung zu belegen, war sogar nur ein Leserbrief.

Karlsruhe verwies die Sache nun zurück an das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Das Gericht soll prüfen, ob die Artikel von Gastautoren auch der Redaktion zuzurechnen sind. „Dies werden wir eindeutig belegen“, erklärte gestern Hartwig Möller, Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, und zeigte sich siegessicher.

Allerdings haben die Richter klargestellt, dass auch eine rechte Publikation pluralistisch sein kann. „Von der Pressefreiheit ist auch die Entscheidung erfasst, ein Forum nur für ein bestimmtes Spektrum zu bieten, dort den Autoren große Freiräume zu gewähren und sich in der Folge nicht mit allen einzelnen Beiträgen zu identifizieren“, heißt es in der Entscheidung.

Außerdem legt der Karlsruher Beschluss nahe, dass in VS-Berichten künftig gestalterisch deutlich gemacht wird, ob eine Organisation erwiesenermaßen rechtsextrem ist oder ob es nur „Anhaltspunkte“ dafür gibt. Bei der Jungen Freiheit war es beim Verdacht geblieben.

Dieter Stein, Geschäftsführer und Chefredakteur der Jungen Freiheit, will jetzt prüfen, ob das Land NRW auf Schadenersatz verklagt werden kann. Durch die „rufschädigende“ Erwähnung im NRW-Verfassungsschutzbericht sei ein Schaden in „mehrstelliger Millionenhöhe“ entstanden. Voraussetzung für eine Klage dürfte allerdings sein, dass die Postille auch beim VG Düsseldorf Erfolg hat.

Die Junge Freiheit war 1986 von Schülern und Studenten in Südbaden gegründet worden. Nach der Wende zog sie nach Potsdam um. Sie erscheint derzeit als Wochenzeitung und hat nach Angaben des Verfassungsschutzes eine Auflage von 10.000 Exemplaren. Ausgearbeitet wurde die Klage der Zeitung vom ehemaligen rechtsliberalen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl. Applaus für das Urteil kam jedoch auch aus der erkennbar rechten Ecke: Der Republikaner-Vorsitzende Rolf Schlierer wertete die Karlsruher Entscheidung als Etappensieg im Kampf seiner eigenen Partei gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. (Az.: 1 BvR 1072/01)