: Bloß ein Getränk
WEIN Seit August ist das neue EU-Weinbezeichnungsrecht in Kraft: Tafelwein wird zum edlen Tropfen
■ Trisecco, Perlwein trocken, Weingut Sander, Rheinhessen, 5,90 Euro , Bio (Naturland)
Wie Perlwein schmecken kann, wenn er aus Trauben stammt, die nicht in Massenfeldern, sondern in einem ökologisch gepflegten Weinberg gewachsen sind, zeigt der „Trisecco“ vom Weingut Sander in Mettenheim. „Tri“ spielt dabei auf die Biotradition des Gutes an, denn Stefan Sander ist bereits die dritte Generation, die ökologischen Weinbau betreibt. Großvater Otto Heinrich Sander hat vor sechzig Jahren das erste deutsche Bioweingut gegründet. Sanders Trisecco ist ein bekömmlicher Perlwein mit betörender Duftigkeit und zarten Bubbles. Schmeckt harmonisch und weich, die süffige Fruchtigkeit sorgt für unkomplizierten Genuss.
■ Bezug: Sechserkarton für 39 Euro inkl. Porto und Versand. Weingut Sander, In den Weingärten 11, 67582 Mettenheim, Fax (0 62 42) 65 89; Tel. (0 62 42) 15 83, E-Mail: info@weingut-sander.de
VON TILL EHRLICH
Zu den Eigenheiten der Weinbranche gehört, dass Hersteller und Vermarkter so tun, als ginge es nur um den „guten Wein“ und nicht um ein Geschäft, bei dem in Deutschland jährlich Milliarden umgesetzt werden. Jeder Marktteilnehmer sagt, dass es ihm allein um die Weinqualität gehe. Das Problem ist nur, dass jeder darunter etwas anderes versteht. So ist in Deutschland mit dem Begriff „Qualität“ oft ein technisches Weinverständnis verbunden – Parameter, wie Alkoholgehalt, Oxidationsgrade oder der Zuckergehalt werden verbindlich festgelegt. Und darüber, dass alle am Markt teilnehmenden Hersteller diese Parameter einhalten, wacht beispielsweise die amtliche Weinkontrolle.
Dieses technische Weinverständnis berührt auch den Weingeschmack. Der Großteil aller deutschen Winzer strebt an, „saubere“ Weine herzustellen, die einen „typischen“ Rebsortengeschmack haben. In Wirklichkeit, ketzerisch ausgedrückt, handelt es sich bei Wein um vergorenes Obst, bei dem ein Winzer Trauben zerquetscht und ihren Saft gären lässt. Die Vergärung und auch die Reifung des Weins bestehen im Prinzip aus biochemischen Verfallsprozessen. Das Interessante am Wein ist aber, wie weit und wann der Mensch den Prozess steuert. Ein Wein, den man sich selbst überlässt, oxidiert und wird Essig. Doch auch das andere Extrem ist uninteressant: Wird der Wein zu sehr in eine Richtung getrimmt, schmeckt er vielleicht „sauber“, aber banal. Entscheidend ist nämlich, dass bei der Herstellung nicht alles gerichtet und kontrolliert wird, sondern den natürlichen, biochemischen Prozessen ein gewisser Spielraum gelassen wird. Dieses Wagnis kann einen besonderen Geschmack bilden, der einen berauschen, ergreifen oder sogar verstören kann. In jedem Fall ist es ein Geschmackserleben jenseits des Uniformen.
Das Problem ist aber, dass die Weinbranche in den letzten Jahren immer mehr industrialisiert wurde. Das bedeutet, dass technisch messbare und berechenbare Standards die Vorstellung von der unberechenbaren Weinherstellung immer mehr verdrängen. Paradoxerweise suggeriert die Vermarktung, mit ihrem Gerede von „Herkunft“ oder „Terroir“, dass es sich beim Wein um ein natürliches, ortsgebundenes Produkt handele. In Wahrheit sind immer mehr Weine nur noch Getränke.
Der Druck der Märkte auf die Hersteller führte dazu, dass jedes Weingut seinen wiedererkennbaren Geschmacksstil haben sollte. Der Weinkonsument soll den Riesling eines Weinguts jedes Jahr erkennen können, da man ihn sonst an die Konkurrenz verliert. Die Technik hilft den Herstellern nun, ihren Stil jedes Jahr im Sinne von Ähnlichkeit zu reproduzieren. Das geschieht etwa mit Reinzuchthefen, Enzymen und temperaturgesteuerter Gärung. Oft wird dadurch der Nerv gezogen.
■ 2007 Rosé Sekt brut, Weingut Dr. Wehrheim, Pfalz, 14 Euro ab Weingut
Viele der besten Champagner und Sekte sind rosé. Roséwein eignet sich besonders als Basiswein für Schaumwein, da er die nötige Kraft und feinherbe Aromatik besitzt. Karl-Heinz Wehrheim ist ein engagierter Winzer in der Südpfalz, der gerade seinen Betrieb auf Biodynamik umgestellt hat. Für seinen Rosé Sekt hat er Spätburgunder- und Cabernet-Trauben aus dem dritten Umstellungsjahr verwendet. Er hat einen lachsfarbenen Ton und eine feine Perlage. Am Gaumen zeigt er eine bekömmliche und anregende Frische. Schmeckt sehr fruchtig, wirkt trocken. Im Nachklang ist ein zarter Erdbeerton vom Spätburgunder zu spüren.
■ Bezug: Sechserkarton für 92,50 Euro inkl. Porto und Versand. Weingut Dr. Wehrheim, Weinstr. 8, 76831 Birkweiler, Fax (0 63 45) 38 69; Tel. (0 62 43) 35 42, E-Mail: dr.wehrheim@t-online.de
Der Weinmarkt erlebt gerade einen Konzentrationsprozess, Discounter und Großkellereien haben die Macht. Doch auch zwischen den individuellen Winzern tut sich ein Spalt auf. Wem es gelungen ist, sich in den letzten 15 Jahren einen Namen zu machen, wächst und verdrängt kleinere Hersteller. So bewegen sich etliche Spitzenwinzer in Deutschland in Richtung biozertifizierter Luxusmarken – kleine Familienbetriebe werden wohl die Verlierer sein.
Ausdruck der Marktkonzentration ist auch das neue EU-Weinbezeichnungsrecht, das seit 1. August in Kraft ist. Zwar gibt es eine Übergangsregelung bis 2011, doch hat sich die Lobby der großen Vermarkter durchgesetzt. So sind trotz weltweiter Überproduktion höhere Erntemengen erlaubt, und auf dem Etikett gibt es die Bezeichnung „Tafelwein“ nicht mehr, sie wird ersetzt durch „Wein“. Damit verliert der Verbraucher ein Instrument, um die unterste Qualität erkennen zu können. Bisher wurden solche Tropfen nur als „Tafelwein rot“ oder „Tafelwein weiß“ bezeichnet. Nun dürfen sie auch mit Jahrgang und Rebsorte bezeichnet werden – aufgehübschte Plörre. Statt „Tafelwein rot“ darf es nun heißen: „2008er Cabernet Sauvignon Rotwein“. Auch die Bezeichnung „Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete“ (QbA) wird ersetzt durch einen ebenso diffusen wie raunenden Begriff: „Ursprungswein“.