: Ein Platz an der Sonne: nachhaltig und fair
URLAUB BEI PRODUZENTEN Das brandenburgische Dörfchen Brodowin ist nicht nur von sieben Seen umzingelt, sondern lädt auch zum Urlaub mit Biobrot und Demeter-Milch ein. Korrekter geht’s kaum
■ Ein kleines Dorf, rund 60 Kilometer nordöstlich von Berlin, ist einer der größten Lieferanten von Demetergemüse und -milchprodukten in Deutschland. Hier Urlaub zu machen, bedeutet nicht nur, die besten und gesündesten Lebensmittel direkt vor der Nase wachsen zu sehen, sondern auch den Einklang von Landwirtschaft und Natur kennenzulernen. Nebenbei laden unzählige Seen zum Baden ein. Der größte ansässige Betrieb, die Brodowin GmbH, produziert unter anderem täglich 5.000 Flaschen Milch, sowie eine große Menge Käse, Quark und Butter. Gemüseanbau und Speiseölproduktion sind weitere Standbeine. (cb)
■ Führungen durch die Produktion: Tel. (03 33 62) 2 46 oder verwaltung@brodowin.de
■ Siegis Landhauspension hat Zimmer, Ferienwohnungen, und einen Bioladen: Dorfstr. 47, 16230 Brodowin, Tel. (03 33 62) 7 03 37, www.brodowin.de
VON CHRISTINE BERGER
Am besten nähert man sich Brodowin mit dem Fahrrad. Dieses kleine Dorf im brandenburgischen Barnim, rund 60 Kilometer nördlich von Berlin, ist nämlich ein Ökodorf, und wer hier Urlaub macht, sollte nicht nur Vollkornbrot mögen, sondern auch sonst ein Faible für nachhaltiges Leben haben.
Also rin in die Pedale, und auf und ab über die märkischen Sandhügel. Schon einige Kilometer vor dem Dorf sieht man ungewöhnlichen Bewuchs: Kleefelder so weit das Auge reicht, dazwischen wiesen mit satt behängten Apfelbäumen. Ein Schild am Wegesrand verrät, was es damit auf sich hat. „Diese Streuobstwiesen gehören der Ökodorf Brodowin GmbH, bitte nicht pflücken.“ Aha, hier wachsen also die saftigen Bioäpfel. Ob man nicht doch probieren sollte, und, huch da sind ja ein paar Äpfel einfach abgefallen, aber nein, wir fahren brav weiter.
Die Sonne steht hoch am Himmel, als wir endlich das Ortsschild passieren. Siegis Landhauspension wird uns die nächsten Tage ein Dach über dem Kopf bieten. Von außen sieht das weiß verputzte Gasthaus ganz gewöhnlich aus, doch spätestens als wir die Packtaschen reintragen, wird der Unterschied deutlich. Gleich neben dem Speisezimmer befindet sich nämlich ein Bioladen. „Stockis Hofladen“ steht an der Tür, und drinnen gibt es Milch, Käse, Quark und frisch gebackenes Brot aus Brodowin. Auch das Café der Pension gibt sich ökologisch korrekt mit Biokaffee, Zucchinischnitzel und Bioschlagsahne zum Eis. Unser Gastwirt Werner Stockmann, der sich im Ökodorfverein Brodowin engagiert, veranstaltet manchmal Vorträge zu Themen wie „Die Geheimnisse des Parsteiner Sees“, oder „Bauen mit Feldsteinen – ein Streifzug durch die Jahrtausende“. Immer steht der Naturschutz im Mittelpunkt, denn gerade der hat Brodowin mit seinen rund 400 Einwohnern zu Vollbeschäftigung und Aufschwung verholfen.
Seit sich vor 16 Jahren der erste Demeter-Landwirtschaftsbetrieb in einer ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) am Rande Brodowins niederließ, ist das Leben und Arbeiten im Einklang mit der Natur immer mehr zur Philosophie der Bewohner geworden. „Zuerst dachten die Einwohner noch, da kommen die Spinner“, erinnert sich eine Mitarbeiterin vom Demeter-Betrieb Brodowin GmbH. Aber nach und nach hat die Skepsis abgenommen. Was zählte, war vor allem Arbeit: Allein 70 Arbeitsplätze entstanden durch den Biogroßbetrieb, etliche aus dem Dorf sind hier als Melker, Herdenmanager oder Gemüseanbauer tätig.
■ forum anders reisen: Das Forum steht für einen Tourismus, der „langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar sowie ethisch und sozial gerecht für ortsansässige Gemeinschaften sein soll“. www.forumandersreisen.de
■ Viabono: Die Marke Viabono vereint nachhaltige Angebote von 350 – meist kleineren – Tourismusunternehmen in Deutschland. Reiseangebote können direkt über die Webseite gebucht werden: www.viabono.de
■ Ruefa Reisen: Der österreichische Veranstalter Ruefa Reisen bietet in Kooperation mit Fairtrade Österreich Reisen an, bei denen auch zertifizierte Kleinbauernkooperativen oder Plantagen in Ecuador, Costa Rica und Indien besucht werden. Weitere Infos: www.ruefa.at
■ Kuoni: Der Schweizer Reiseveranstalter Kuoni besucht auf einer seiner Ecuador-Rundreisen Fairtrade-Projekte. Personal der Siegelorganisation Max Havelaar Schweiz begleitet die Reise. Weitere Infos: www.kuoni.ch (fh)
Die Maxime „Fair arbeiten und leben“ hat auch die Brodowiner Gastbetriebe erreicht, weshalb bei Urlaubern gleich in mehrerer Hinsicht nachhaltige Eindrücke zurückbleiben. Da sind zum Beispiel die kleinen Kälbchen auf dem Hof der Brodowin GmbH, die so artgerecht wie möglich aufgezogen werden. Hochträchtige Mutterkühe stehen neben der Straße auf einer Weide, und wer Geduld hat, erlebt eine Geburt unter freiem Himmel. Rund 560 Rinder, davon 250 Milchkühe, besitzt der Betrieb mittlerweile. Neuerdings ist auch eine 200-köpfige Ziegenherde mit von der Partie. Eine Führung über den Hof macht deutlich, dass Ökolandwirtschaft mittlerweile eine Mischung aus Bullerbü und Hightech ist. In der Meierei schafft die Milchabfüllanlage jeden Tag rund 5.000 Flaschen, die zum größten Teil in Berlin verkauft werden. Und es sollen noch mehr werden: 2010 wird nebenan die neue gläserne Meierei gebaut, dann können Besucher durchs Fenster dabei zuschauen, wie „ihr“ Käse entsteht.
Neben Kühen, Apfelbäumen und Klee wächst rund um Brodowin auch jede Menge Gemüse, etwa Lauch, der groß und kräftig wirkt, trotz fehlender Düngemittel aus dem Chemielabor. Mangels Überdüngung sind auch die umliegenden Seen erstklassige Badegewässer, und wer einmal an der Badestelle des Brodowinsees etwas Zeit verbringt, staunt über die große Zahl gesund aussehender, fröhlicher Kinder, die hier plantschen. Sie alle haben zum großen Teil Biomilch zu Hause im Kühlschrank, denn ihre Eltern bekommen Einkaufsgutscheine, so sie beim Biolandwirt tätig sind. Die anderen Zugezogenen haben bewusst einen Ort gewählt, der nachhaltig wirtschaftet, und kaufen sowieso ein, was vor der Tür wächst.
Auch auf die Nachbarn der Brodowiner färbt das Bioengagement ab. Auf dem Campingplatz am Parsteiner See etwa dürfen keine Autos mit auf den Platz. Im Kühlschrank des kleinen Zeltplatzladens gibt es Demetermilch aus Brodowin, und im nächsten Dorf tut ein Demeter-Bauer auf einem Straßenschild kund, welches zerteilte Vieh als nächstes käuflich zu erwerben ist.
So müssen wir während unseres Urlaubs kein einziges Mal im Supermarkt einkaufen gehen, den es hier sowieso nicht gibt. Stattdessen verbringen wir viel Zeit auf dem Fahrrad, umrunden die Seen, bewundern vom Rummelsberg aus die wunderschöne Landschaft aus Hügeln und Wäldern. Und essen gesund. Am ersten Tag haben wir uns einen großen Sack Biokartoffeln gekauft, außerdem Ziegenkäse vom Betrieb Pörschke. Dort arbeitet die ganze Familie mit, und selbst die Kinder stehen schon stolz hinter dem Tresen, um „ihren“ Käse zu verkaufen. Einmal wöchentlich backt Gastwirt Werner Stockmann Brot in einem Holzofen im Garten. Wenn man nicht aufpasst, sind die frischen Laibe schneller verkauft als gebacken. Das Korn fürs Brot kommt selbstredend vom Feld nebenan. Auf rund 1.250 Hektar rund um Brodowin wachsen Winter- und Sommerweizen, Winter- und Sommerroggen, Dinkel, Hafer und Spezialitäten wie Einkorn, Bergroggen und Lichtkornroggen. Während der Erntesaison sind die Mähdrescher den ganzen Tag im Einsatz, und selbst spät in der Nacht ist noch ihr Röhren zu hören. Ein großer Teil der Ernte wird an die Firma Märkisches Landbrot geliefert, die in Berlin jeden Tag hunderte von Bioläden und Bäckereien mit ihrem kräftigen Vollkornbrot beliefert. Dort werden auch wir in ein paar Tagen wieder Kunden sein – und einen kleinen Urlaubsgruß aus Brodowin kaufen.