: Konsum, Kritik & krasse Action
FAIRE WOCHE Rund 3.000 Veranstaltungen wollen bundesweit animieren, informieren und zu angemessenem Handeln aktivieren
Wenn die Faire Woche 2009 bundesweit für den fairen Handel wirbt, mag das einigen wie eine Begegnung mit alten Bekannten erscheinen: Eine-Welt-Läden sind schon lange eine Institution in vielen Kiezen. Und auch die Faire Woche geht nun schon ins neunte Jahr. Also alles wie gehabt? Mitnichten! In Zeiten, da alle von der Wirtschaftskrise reden, lohnt sich ein Blick auf etwas andere Formen des Wirtschaftens: Von Krise ist bislang beim fairen Handel wenig zu spüren. Stattdessen debattieren Aktivisten darüber, wie weit das Wachstum getrieben werden sollte: bis in die Discounter hinein – oder nicht? Vor neue Herausforderungen wird der faire Handel auf einer anderen Ebene gestellt: Der Klimawandel trifft die Produzenten im Süden besonders hart. Lösungen zeichnen sich bereits ab: neue Wege, aber gewohnt fair. LK
VON TILMAN VON ROHDEN
„Grün wirkt“, schreibt die gleichfarbige Ökopartei im Wahlkampf gern auf ihre Plakate. „Fair wirkt“, könnten die Veranstalter der Fairen Woche plakatieren. Denn immer mehr Deutsche achten beim Einkaufen nicht nur auf „Bio“, sondern auch auf „Fair“. Der Trend trotzt sogar der Wirtschaftskrise, denn bei Produkten wie Kaffee oder Tee konnte der Faire Handel in diesem Jahr erneut stattliche Zuwächse verzeichnen. Allerdings gibt es mittlerweile eine ganze Palette an Produkten auch im Non-Food-Bereich, von Blumen über Kleidung bis zu Fußbällen.
Damit Fair beim Einkaufen auch in Zukunft vorgeht, gibt es seit acht Jahren einmal jährlich die „Faire Woche“. In den insgesamt zwei Wochen vom 14. bis 27. September finden bundesweit mehr als 3.000 Veranstaltungen statt. Ein Onlinekalender auf der Internetseite www.faire-woche.de verschafft einen ersten Überblick, was in der eigenen Region passiert. Die Aktionswoche wird vom Forum Fairer Handel organisiert, einem bundesweiten Netzwerk verschiedener Organisationen und Initiativen. Organisiert wird zentral, gehandelt wird lokal: Im Rahmen der Fairen Woche finden Aktionen an den unterschiedlichsten Orten statt, von Kirchengemeinden über etwa 800 Weltläden bis hin zu Discountern wie Lidl. Berührungsängste zwischen Supermärkten und Fair-Trade-Aktivisten gibt es kaum noch. Seitdem fair gehandelte Produkte in den Regalen stehen, sind selbst Infostände für eine gerechtere Welt in den Augen vieler Manager zur erwünschten Promotion avanciert.
Doch auch außerhalb der Shopping-Malls wird viel los sein. Es wimmelt von „Fairkostungen“, „Fairsuchungen“, „Fairkäufen“ und natürlich vielen „Fairantwortung“-Events zwischen Emden und Zittau. Denn trotz Mainstream und professionellem Marketing: Oft sind es gemeinnützige Vereine, die auf ehrenamtliche Arbeit bauen, und zudem viele kirchliche Gruppen, die im Rahmen sozialer Projekte den Fairen Handel unterstützen.
Die Auftaktveranstaltung findet am 14. September in Berlin statt, mediengerecht vor dem Brandenburger Tor. Zeitgleich fällt jedoch auch ein Startschuss in Saarbrücken, denn die Hauptstadt des Saarlands ist als erste Stadt in Deutschland zur „Fairtrade Town“ gekürt worden. Seit Januar 2009 können sich nämlich deutsche Städte, Kreise und Gemeinden bei TransFair e. V. um den Titel bewerben. Der Verein verleiht das blau-grüne Fair-trade-Siegel nämlich nicht nur für Kaffee & Co, sondern auch für Kommunen, die sich besonders für fair gehandelte Produkte einsetzen. Neuss hat das Klassenziel mittlerweile auch schon erreicht, Dortmund soll als Nächstes kommen.
Fairtrade Town kann jede Stadt werden, beim Wettstreit um den Titel „Hauptstadt des Fairen Handels“ kommen dagegen nur die ersten drei zum Zug. Veranstaltet wird dieser Wettbewerb von der „Servicestelle Kommunen in der Einen Welt“. Am 16. September überreicht Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Preisgeld in Höhe von 100.000 Euro an Vertreter der Gewinnerkommunen. Bei einer weiteren Aktion im Rahmen der Fairen Woche kann jeder mitmachen, der eine Kaffeemaschine besitzt. Am „Tag des Kaffees“ lädt die Siegelinitiative TransFair zur Aktion „Kaffee.Pause.Fair“ ein. Zwischen 10 und 11 Uhr sind am 25. September Unternehmen und Einzelpersonen, Gruppen von Kollegen, Aktionsgruppen, Schulen und Universitäten dazu aufgerufen, gemeinsam Fair-Trade-Kaffee zu trinken und einen neuen Weltrekord aufzustellen. Mindestens 100.000 Tassen Fair-Trade-Kaffee in nur einer Stunde gilt es zu toppen.
Für Konsumenten beschränkt Fairer Handel sich meist darauf, entsprechende Produkte aus dem Regal zu nehmen. Bei zahlreichen Aktionen während der Fairen Woche kann man darüber hinaus einige der AkteurInnen und ProduzentInnen aus dem Süden persönlich erleben. So etwa Yannina Meza von der Fair-Trade-Organisation Manos Amigas aus Peru. Sie arbeitet mit benachteiligten Produzenten vom traditionellen Kunsthandwerk zusammen. Nach Deutschland kommt aber auch Natividad Isabel Nagua, eine Bananenbäuerin aus Ecuador. Sie arbeitet bei der Kleinbauern-Kooperative Urocal und spricht bei zahlreichen Veranstaltungen auf Einladung der Importorganisation BanaFair.
Die Faire Woche endet am 27. September, also genau am Tag der Bundestagwahl. Darauf soll auch die Abschlussaktion Bezug nehmen. Wenn um 18 Uhr die Wahllokale ihre Tore schließen, übernimmt der Faire Handel die Kontrolle: Überall in Deutschland werden AktivistInnen aus den Weltläden die Wahlplakate mit Werbung der etwas anderen Art überkleben. „Sie haben die Wahl. Jeden Tag“, wird da verkündet. Denn anders als der Wahlbürger kann der Konsumbürger schließlich täglich seine Wahl treffen – beim Einkauf.