Zwei Leute überwachen 22.000 Firmen

Arbeiter entlassen, Gewerkschafter bedroht? In Streitfällen zwischen Menschenrechtsgruppen und transnationalen Konzernen schlichtet das Wirtschaftsministerium. Die wenigen Mitarbeiter haben ganz schön viel zu tun. Verbindliche Regeln gefordert

VON HANNES KOCH

Zwei Leute sollen die transnationalen Konzerne im Griff behalten. Nein, nicht ganz. Nur ab und zu sollen sie Streitfälle schlichten. Wenn beispielsweise die Aktivisten der Kampagne für saubere Kleidung dem Konsumgüterkonzern Adidas-Salomon vorwerfen, dass in seinen Zulieferbetrieben in Indonesien Arbeiter schikaniert werden.

Aber auch das ist für die beiden Mitarbeiter der „nationalen Kontaktstelle“ im Bundeswirtschaftsministerium (BMWA) in Berlin eine gewisse Herausforderung. Denn sie haben neben den aus aller Welt eintreffenden Beschwerden auch ihre normale Arbeit zu erledigen. Dazu gehört die Aushandlung von Investitionsabkommen und vieles andere mehr.

Im Fall Adidas-Salomon hatten die Menschenrechtler den Konzern beschuldigt, dass indonesische Arbeiter entlassen und bedroht worden seien, weil sie sich in der örtlichen Gewerkschaft engagierten. Im Verfahren beim Wirtschaftsministerium konnten die Vorwürfe nicht geklärt werden, es stand Aussage gegen Aussage. Eine Folge der mangelnden Personalausstattung und zu geringen Kompetenzen der Schlichtungsstelle?

Diese und andere Fragen zu beantworten versuchten die Teilnehmer der Tagung „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“, die – vom Gewerkschaftsbund DGB und der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) organisiert – am Mittwoch bei der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin stattfand. Reicht das Regelwerk, wie kann es besser werden?

Die vor fünf Jahren renovierten Leitsätze der OECD sind der weltweit wohl weitgehendste Versuch, das Wirken transnationaler Konzerne zu regulieren. Der Charme der Leitsätze besteht darin, dass 39 Staaten sich verpflichtet haben, eine staatliche Institution – eben die Kontaktstellen – mit der Schlichtung von Streitfällen zu betrauen.

Im globalen Raum wachsen damit Keime eines transnationalen Wirtschaftsrechts, das nicht nur die freien Märkte und Investitionen, sondern auch die sozialen Rechte der Beschäftigten schützt.

Der globale Raum freilich ist groß. Schließlich betreiben alleine die transnationalen Unternehmen aus Deutschland rund 22.000 Niederlassungen in aller Welt, wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BdI) vermeldet. Ist die deutsche Kontaktstelle mit ihren zwei Mitarbeitern angesichts dieser Fülle überfordert, wenn sie Menschenrechtsverletzungen im weit entfernten Indonesien untersuchen soll, die das beschuldigte Unternehmen zudem bestreitet? „Keineswegs“, sagte Hans-Gerd Kausch, Mitarbeiter der Kontaktstelle im BMWA, bei der Podiumsdiskussion. „Wir haben ja Zugriff auf den Apparat der Bundesregierung.“ Soll heißen: Die kleine Kontaktstelle recherchiert nicht alleine, sondern schaltet andere Ministerien ein und auch die deutschen Botschaften rund um den Globus. Gerade aus den Auslandsvertretungen kämen oft nützliche Hinweise zur Aufklärung der Vorwürfe, heißt es.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wenn die Leitsätze beispielsweise verlangen, dass die Unternehmen das Koalitionsrecht ihrer Beschäftigten respektieren sowie Kinder- und Zwangsarbeit abschaffen sollen, ist das kein internationales Gesetz, sondern eine Verhaltensregel, deren Gültigkeit auf freiwilliger Beachtung durch die Unternehmen basiert. Und für die Schlichtung beim BMWA gilt das Prinzip der Vertraulichkeit. Die Firmen würden auch deshalb bereitwillig mitarbeiten, weil nicht alle Details sofort ausgeplaudert würden, heißt es bei der Kontaktstelle.

Die Mitarbeiter im BMWA finden diesen Mechanismus genau richtig. Auch dem BdI geht nichts über die Freiwilligkeit. Die andere Seite sieht das naturgemäß anders. Gewerkschafter Roland Schneider bemängelte, dass die Kontaktstellen vielfach nicht die Möglichkeiten ausnutzten, die ihnen tatsächlich zur Verfügung stehen würden. Und Cornelia Heydenreich von der Menschenrechtsorganisation Germanwatch forderte eine Verbindlichkeit der Leitlinien sowie einen Sanktionsmechanismus ein. Schon am Anfang der Veranstaltung hatte Heinrich-Böll-Chefin Barbara Unmüßig ihre Richtung ausgegeben: „Wir brauchen die politische Regulierung der Globalisierung.“