Ohne Schröder wär’s leichter
: Kommentar von Bettina Gaus

Wenn dem Kanzler heute sein Herzenswunsch erfüllt wird und das Parlament ihm das Vertrauen entzieht, dann fangen die Probleme erst an. Nicht nur die rechtlichen, mit denen sich Bundespräsident und Verfassungsgericht auseinander zu setzen haben. Sondern auch die inhaltlichen. Die belasten vor allem die SPD und deren mögliche Gefolgschaft. Ohne den Regierungschef auf Abruf hätten sie es leichter.

 Falls Schröder – wie es seine Erklärung nach der NRW-Wahl nahe legt – die Neuwahlen in eine Volksabstimmung über seine Politik umzuwandeln versucht und die Vertrauensfrage entsprechend begründet, dann nimmt er seine Partei und deren letzten Getreuen in Geiselhaft. Wer den Kurs der Regierung für falsch hält, aber die Traditionspartei SPD nicht zur Bedeutungslosigkeit herabgewürdigt sehen will und sie deshalb zähneknirschend wählen würde, kann das kaum noch tun. Nicht einmal dann, wenn er oder sie die neue so genannte Linkspartei wegen der rechtspopulistischen Äußerungen von Oskar Lafontaine für unwählbar hält.

 Und die Befürworter der Regierungspolitik? Wie hat man sich deren Wahlkampf konkret vorzustellen? Soll ein Abgeordneter sagen: Natürlich unterstütze ich Gerhard Schröder, das sieht man ja schon daran, dass ich ihm im Bundestag das Vertrauen entzogen habe? Absurd. Dieser Widerspruch lässt sich auch nicht durch wohlfeile Programmkorrekturen wie die donnernde Forderung nach einer Millionärssteuer auflösen.

 Es gilt als unumstößliche Tatsache, dass Amtsinhaber gegenüber ihren Herausforderern im Vorteil sind. Aber die jüngste Entwicklung lehrt: Im Wahlkampf gibt es keine unumstößlichen Tatsachen. Schröder gebührt das historische Verdienst, das politische Wörterbuch um einen Ausdruck erweitert zu haben. Er hat dafür gesorgt, dass sich neben dem Kanzlerbonus künftig auch der – bislang ziemlich ungebräuchliche – Begriff des Kanzlermalus etablieren dürfte.

 Es sei denn, er zöge sich doch noch zurück. Und erwiese somit der SPD einen letzten Dienst. Dass dieser Abstieg von Gerhard Schröder nicht von diesem allein, sondern auch von einigen seiner Parteifreunde zu verantworten ist, ändert am Tatbestand nichts.