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Archiv-Artikel

Der Kriegssteuerverweigerer

Panter-Kandidat (III): Günther Lott kämpft für die Einführung des Zivilsteuergesetzes

Hier stellen wir jeden Samstag einen von zwölf KandidatInnen für den taz-Panter-Preis vor.

„Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ So jedenfalls steht es im Grundgesetz. Steuern für Rüstung und Militär muss jedoch jeder Bürger zahlen – auch gegen seine Überzeugung. „Dagegen kämpfe ich“, sagt Günther Lott. Und das seit nunmehr über zwanzig Jahren.

Anfang der 80er-Jahre beschloss er, keine Beiträge mehr zu bezahlen, die in den Etat der Bundeswehr fließen. 18,4 Prozent seiner Steuern überwies der selbstständige Apotheker aus Rauenberg auf ein Sperrkonto und teilte seinem Finanzamt mit, dass er zwar weiterhin bereit sei, dieses Geld abzuführen, es dürfe jedoch nicht mehr in den Militärhaushalt fließen. Ohne Erfolg. „Nach Mahnungen und einem Vollstreckungsbescheid stand schließlich der Gerichtsvollzieher in der Apotheke und nahm das Geld aus der Kasse“, erzählt Lott. „Das Schauspiel wiederholte sich jedes Quartal, mittlerweile pfändet das Finanzamt direkt mein Konto.“

Günther Lott ist heute 69 Jahre alt. Gerade ist er nach Berlin gereist, um Bundestagspräsident Wolfgang Thierse eine Unterschriftenliste zu übergeben. „12.082 Menschen unterstützen uns im Kampf für ein Zivilsteuergesetz“, berichtet er. Lott sagt „uns“, da er einige Mitstreiter hat. 1983 war er Mitbegründer der „Friedenssteuer-Initiative“, die später in „Netzwerk Friedenssteuer“ umbenannt wurde. Prozesse werden geführt, Gutachten erstellt, die Werbetrommel gerührt. „Großen Zulauf haben wir immer in Krisensituationen, während des Golfkrieges oder beim Kosovo-Einsatz“, erklärt Lott.

Doch Sympathien allein nutzen seinem Anliegen nur wenig. Er fordert eine Gesetzesänderung: „Wir wollen uns den Steuerzahlungen nicht entziehen, aber es soll gewährleistet sein, dass sie nicht im Militärtopf landen.“ Seit 1986 lagen dem Bundestag vier Gesetzentwürfe zur Umwandlung von Rüstungssteuern in Friedenssteuern vor – viermal wurde dagegen entschieden. „Obwohl nicht wenige Abgeordnete mir gegenüber ihre Zustimmung signalisiert haben“, ergänzt Lott, der trotz parlamentarischer und juristischer Niederlagen weitermacht.

Der Höhepunkt seiner Beharrlichkeit war die Auszeichnung mit dem Aachener Friedenspreis im Jahr 1993. Aber auch sonst steht Lott nicht allein da: In 18 Ländern gibt es vergleichbare Initiativen, in den USA und Großbritannien haben die Verfechter einer Friedenssteuer eine längere Tradition als in Deutschland. Allerdings auch ohne Erfolg.

Der „potenzielle Kriegsdienstverweigerer“ Lott (er wurde nicht eingezogen) räumt ein, dass er eine Gesetzesänderung möglicherweise nicht mehr erleben wird. „Aber es gibt nichts, was mir wichtiger wäre, politisch gesehen.“ Dafür hört er sich geduldig die Argumente der Gegner an: Die Bundeswehr sei eine Friedensarmee. Oder: Sein Vorstoß gefährde die Budgethoheit des Parlaments. Und: Da könne ja jeder kommen und um irgendeinen Steuererlass bitten. „Darauf kann ich nur erwidern, dass in keinem anderen Bereich der Steuerzahlungen Leben und Tod so eng verknüpft sind wie bei den Militärsteuern“, sagt Lott.

Letztlich konnte er sich noch kein einziges Mal der Zahlung entziehen. „Aber verweigern werde ich mich lebenslänglich, das ist eine Gewissenssache“, sagt er. Seine Stimme zittert ein wenig, als er die Theologin Dorothee Sölle zitiert, die in dieser Angelegenheit einst sagte: „Es gibt Dinge, die musst du tun, damit du dir noch ins Gesicht sehen kannst.“ JUTTA HEESS