Schiffemuseum versenken

Der Waffensammler Peter Tamm bekommt vom Hamburger Senat für sein militaristisches „Marine-Museum“ ein Gebäude und bis zu 30 Millionen Euro geschenkt – kritisieren darf das aber niemand

VON PETRA SCHELLEN

Hätte er doch Bierdeckel gesammelt! Dann könnte er einen ruhigen Lebensabend verbringen, der Zigarrenliebhaber Peter Tamm. Kein Mensch spräche bös von ihm, keine zähe Suche nach einem Gebäude für seine private Sammlung lastete auf ihm – und dass die Stadt Hamburg ihm ein 15.000 Quadratmeter großes Areal samt 30 Millionen Euro schenken könnte, sprengte schier die Vorstellungskraft.

Doch die Fakten liegen anders: Ungeheure Mühsal hat der Ex-Springer-Vorstandschef auf sich geladen, um das zu sammeln, was ihm so Hafencity-kompatibel macht: Modelle, Bilder, Pläne – kurz „alles rund ums Schiff“. Das wäre nicht weiter gefährlich, hätte sich die Leidenschaft nicht immer stärker auf Waffen und Kriegsschiffe gerichtet; am Rande nur sei vermerkt, dass der 17-jährige Tamm im letzten Kriegsjahr freiwillig zur NS-Marine ging. Er bedauert wohl seine späte Geburt und hat sich eine Alternative gezimmert: Kriegs- und Handelsschiffsmodelle jeder Größe hat er angehäuft, Waffen, Uniformen und Gemälde. Und natürlich Nazi-Orden, Hakenkreuz-bewehrte Großadmiralsstäbe sowie Bismarck-Büsten. Dazu kommen Degen, Revolver und U-Boot-Modelle.

Als Schiffsredakteur des Hamburger Abendblatts hatte er seine Karriere begonnen; leicht zu raten, woher die Kontakte zu jenen kamen, die ihm ihre Nachlässe vermachten. Und wenn man durch Tamms Villa in der gediegenen Elbchaussee spaziert, wirken sie gar herzig, die wie in einem Spielzeugladen aufgebahrten Schiffsmodelle. Lückenhafte, teils launige, keinesfalls aber wissenschaftliche Beschriftungen zieren die Exponate, was an sich auch gar nicht stört: Dies ist Tamms privater Boden. Doch ab 2007 soll das anders werden: Im 15.000 Quadratmeter großen, stadteigenen Kaispeicher B in der Hafencity wird sein „Internationales Marinemuseum“ dann residieren, gestaltet von Tamm allein. Befürwortet haben das alle: der verblichene SPD- sowie der aktuelle CDU-Senat, die Bürgerschaft und der Kulturausschuss – kurz: das ganze Volk. Jedenfalls fast: Einzelne monieren durchaus die Kriegsverherrlichung, die aus Tamms vielen Militaria spricht.

I wo, alles Täuschung, sagt der Senat. Außerdem: „Kriege gehören dazu, wenn man Geschichte ungekürzt darstellen will. Und über die Opfer wird andernorts schon so viel geredet“, sagt etwa Lutz Mohaupt, Ex-Hauptpastor des Hamburger Michel und jetzt Sprecher des Bürgermeisters. Und wenn der das sagen darf, dann ist ja alles in Ordnung mit dem Museum, das Hermann Schäfer, Tamm-Berater und Präsident des Bonner Hauses der Geschichte, fasziniert, „weil da jemand seit seinem 6. Lebensjahr gesammelt hat“.

Im Schlachtgetümmel

Schäfer sitzt im Beirat der Militärhistorischen Sammlung Dresden. Männer wie er fühlen sich wohl im Garten der Tamm’schen Villa, die mit Kanonen, Landminen und einem Torpedoboot bestückt ist. Fühlt er sich denn bedroht? „Sie wollen uns ja nur in den Schmutz ziehen“, sagt seine Geschäftsführerin Russalka Nikolov auf kritische Fragen. Sie glaubt fest daran, dass das Museum ein „Ort der Völkerverständigung“ wird. Dabei ist im Konzeptpapier unverhohlen vom „Schlachtgetümmel vergangener Zeiten“ die Rede, das dort inszeniert werden soll.

Indes stören nur wenige den Jubel: Friedrich Möwe, Autor des Buchs „Tamm-Tamm“, zum Beispiel. Unter Pseudonym hat er dessen Sammlungsschwerpunkte und Verlegertätigkeit recherchiert. Tamm besitzt mehrere rechtslastige Verlage – jedoch: „Ich kann mich nicht auf Herrn Tamms vergangene Verlegertätigkeit beziehen, sondern nur auf seine aktuelle Bedeutung als Sammler“, sagt Hamburgs Kultursenatorin Karin von Welck: „Das Museum wird ein Erfolg.“

Tamms Leute fragen sich derweil, wie sie das Kriegsgerät vor „militanten Pazifisten“ schützen sollen. Denn ausgestellt gehört das Waffenarsenal ganz unbedingt: Geschichte müsse „unabhängig von Zeitströmungen“ präsentiert werden, nennt das Tamm selbst: „Der Stärkere setzt sich durch, und ohne Waffe ist der Mensch gar nichts.“ Seine ideale Gesellschaft: „Es gäbe eine klare Befehlskette ohne viel Rumgerede. Aber leider sind wir noch nicht so weit“, äußerte er in einem TV-Interview, warm umrauscht vom Beifall der Anwesenden. In puncto „öffentliche Meinung“ hat er das in Hamburg fast geschafft: Die marktbeherrschende Springer-Presse ist ihm hörig, die übrigen gelten als kleinkarierte Nörgler.

Dabei ist es mit den 30 Senats-Millionen wohl nicht getan: 2,5 von nötigen 15 Millionen Stiftungskapital für die Betriebskosten hat er erst beisammen. Obwohl das Hamburger Abendblatt doch so lieb geholfen und entsprechende Kontonummern abgedruckt hat. Und der Senat erst: Hat doch glatt eine „2. Grundsteinlegung“ inszeniert, zu der 500 finanzkräftige Gäste geladen waren. Jeder bekam ein Faltblatt über den „Freundeskreis“.

Bei so viel Selbstlosigkeit mag man gar nicht mehr jammern über die durch Tamm forcierte Kannibalisierung der Hamburger Museen.

Denn drei mit Schiffen bestückte Häuser gibt es dort schon. Alle vermelden stagnierendes Publikumsinteresse. Aber Subventionen hängen auch von Besucherzahlen ab. Da kann man ein viertes Schiffsmuseum offensichtlich gut gebrauchen. Besonders eins mit Nazi-Symbolen: Das zieht ein interessiertes, ein interessantes Publikum.