ZAHL DER WOCHE
: Der alte Vater Rhein steckt voller Energie

600 Millionen

Am Hochrhein unweit von Basel wird ein zweites Mal Energiegeschichte geschrieben: Ein neues Laufwasserkraftwerk soll in Rheinfelden die bestehende Anlage ersetzen und damit die jährliche Stromproduktion von 190 Millionen auf 600 Millionen Kilowattstunden erhöhen. Damit wird es das größte Projekt zur Nutzung erneuerbarer Energien in Deutschland.

Rheinfelden, seit 1898 am Netz, war einst das größte Kraftwerk Europas. Es legte zugleich einen Grundstein für den europäischen Netzverbund. Als 1988 die für 90 Jahre erteilte Konzession auslief, verlängerten die Behörden sie nur unter der Bedingung, dass die Stromausbeute bis spätestens 2019 erheblich gesteigert wird. Das aber ist nur durch einen Neubau möglich.

Die „erhebliche Steigerung“ ergibt sich durch ein völlig neues Konzept. Da man zur Bauzeit des historischen Werkes noch nicht unter Wasser bauen konnte, wurde das Kraftwerk am Ufer errichtet. Der Neubau hingegen wird quer zur Fließrichtung in den Rhein gestellt. Die Wassermassen können dann statt 600 Kubikmetern pro Sekunde künftig 1.500 Kubikmeter nutzen. Zugleich wird das Gefälle von 6 auf 9 Meter, die Leistung damit von 25,7 auf 100 Megawatt erhöht. Der Neubau soll 2011 in Betrieb gehen. Die zum EnBW-Konzern (Energie Baden-Württemberg) gehörende Energiedienst AG will in den nächsten Jahren 277 Millionen Euro investieren.

Für EnBW-Chef Utz Claassen ist der Neubau „ein Beleg dafür, dass die erneuerbaren Energien für die EnBW einen großen Stellenwert haben“ – und sie würden für das Unternehmen „in Zukunft noch wichtiger“. Nimmt er diese eigenen Worte ernst, wird er aber allein mit dem Ausbau der Wasserkraft nicht auskommen. Denn viel mehr als die 410 Millionen Kilowattstunden, die Rheinfelden nun draufsattelt, werden aufgrund begrenzter Potenziale im Lande kaum zu realisieren sein. So wird bundesweit allein der Zubau an Photovoltaik in den kommenden Jahren größer sein als der Zubau an Wasserkraft.

Eine große unternehmerische Entscheidung ist der Bau von Neu-Rheinfelden gleichwohl. Und den wirtschaftlichen Risiken einer solchen Langfristinvestition stehen auch große Chancen gegenüber: Jährlich wird das Kraftwerk im Vergleich zum aktuellen deutschen Strommix rund 350.000 Tonnen Kohlendioxid vermeiden – beim heutigen CO2-Preis im Emissionshandel ist dieser Aspekt allein mehr als 8 Millionen Euro wert.

BERNWARD JANZING