DEPRIMIERTE GLATZEN UND EIN SOMMERMÄRCHEN DER VOLLIDIOTEN
: Möllemanns Doppelgänger

VON JURI STERNBURG

Die Beamten sind verwirrt, und zwar mehr als zuvor. „Wollen Sie jetzt zu der Veranstaltung der Rechten oder nicht?“ Eigentlich hatten sie mich schon mehrfach abgewiesen, doch einem der Staatsdiener ist mein Hansa-Rostock-Shirt aufgefallen, welches ich kürzlich günstig im Internet ersteigert hatte. Wäre ich tatsächlich ein Teilnehmer der rechten Veranstaltung, müsste es natürlich “T-Hemd“ und „Weltnetz“ heißen, schließlich sind Anglizismen in der nationalen Szene ein No-go.

Nationale Krabbelgruppe

Bin ich aber glücklicherweise nicht und dementsprechend versperren mir die Kollegen der Berliner Sondereinheit „Politisch motivierte Straftaten“ schlussendlich doch noch den Weg, da sie meiner plötzlichen nationalen Gesinnung nicht so recht über den Weg trauen. Und recht haben sie. Das Häufchen Elend, welches sich in der Nähe des Strausberger Platzes eingefunden hat, ist es dann eigentlich gar nicht wert, über sie zu berichten, der Großteil der Anwesenden sieht aus, als wäre ihr Stammbaum eine Trauerweide oder ein Kreis, und das, wo sie doch so stolz auf ihre vermeintlich reinrassige Herkunft sind.

Ein später dazu stoßender Freund fragt, wie lange ich mir das Ganze schon anschaue. „Seit knapp 15 Jahren“ ist meine Antwort. Der Chef der nationalen Krabbelgruppe Sebastian Schmidtke und Möllemanns inoffizieller Doppelgänger Udo Voigt wechseln sich gegenseitig mit den Reden ab, argumentatorische Geniestreiche wie „der kleine Mann muss immer zahlen“, „die da oben machen doch eh, was sie wollen“oder „kriminelle Ausländer raus aus Deutschland“ wechseln sich im Minutentakt ab.

Über der Veranstaltung prangt ein riesiges neongelbes Schild an einem Baugerüst: „Friseur geöffnet.“ ist dort zu lesen. Der dazugehörige Pfeil zeigt auf die Ansammlung der deprimiert dreinschauenden Glatzen, insofern hat alles seine Ordnung, die tägliche Nassrasur ist gesichert. Inzwischen wurde von den Linken ein Soundsystem aufgebaut, die Internationale erklingt und neben mir bemerkt jemand treffenderweise, dass Nazis keine DJs werden können. Und zwar weil sie den Unterschied zwischen 33 und 45 nicht kennen.

Genug der Schenkelklopferei, der DJ-Witz ist bestens dazu geeignet, eine schlechte Überleitung einzuleiten. Schließlich soll es hier eigentlich um ganz viel Spaß, angesagte Acts, Konfetti und wummernde Beats gehen. Dummerweise habe ich mir selber eine Clubpause verordnet, dementsprechend gibt es heute keine Geschichten über unfreundliche Türsteher oder betrunkene Partygäste. Stattdessen geht es weiter wie zuvor.

Nach dem Spiel wird logischerweise noch der ein oder andere Absacker getrunken und auf der Kastanienallee der knappe Sieg gefeiert. Eine Gruppe Deutschlandtrikots tragende Profipöbler nutzt die Partystimmung, um sich mit Stühlen und Flaschen zu bewaffnen und einen Farbigen anzugreifen. Das allein wäre schockierend genug, weit tragischer ist jedoch, dass sich einige unbeteiligte, ebenfalls in Deutschlandtrikots gekleidete Herrschaften bemüßigt fühlen, sich den ihnen unbekannten Vollidioten anzuschließen. Ein Traum in Schwarz, Rot, Gold – Deutschland, dein Sommermärchen Part 2 reloaded.

Dann doch lieber nach Friedrichshain, dort bekommt man für zehn abgebrochene Deutschlandfähnchen immerhin ein Sternburg umsonst. Vielleicht kommt ja noch eine nette Bekanntschaft, die ihre Fähnchen einlösen möchte, ich würde zur Verfügung stehen.