Ungleiche Wege

Nur wenige Afri­ka­ne­r:in­nen können legal nach Europa migrieren. Divine Umulisa aus Ruanda ist eine von ihnen. Sie hat ein Buch darüber geschrieben

Von Kigali, RwandaCelestin Ntawirema

Divine Umulisa ist vier Jahre alt, als 1994 der Konflikt in Ruanda eskaliert und sich zum Völkermord an den Tutsi entwickelt. Sie verliert ihre Eltern und lebt fortan bei Angehörigen. Die haben mit Armut zu kämpfen, trotzdem macht Umulisa ihren Highschool-Abschluss. Das hilft ihr, das Trauma der Verbrechen, die in Ruanda geschehen waren, zu verarbeiten.Umulisa geht in die Hauptstadt Kigali, studiert dort Journalismus, arbeitet als Schauspielerin. 2013 trifft sie bei einer Theateraufführung einen Deutschen. Sie verlieben sich und heiraten. So wandert Umulisa 2016 legal nach Deutschland ein. Dort fällt es ihr erst schwer, sich anzupassen. „Ich musste einen Integrationskurs besuchen, um die Sprache und Kultur zu lernen.“ Unter dem Pseudonym Tete Loeper schreibt Umulisa den Ende 2020 erschienenen Roman „Barefoot in Germany“.

Ihr blieb erspart, was viele Mi­gran­t:in­nen auf ihrem Weg nach Europa durchmachen müssen: Schlepperbanden ausgeliefert zu sein oder eine gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer, die viele mit dem Leben bezahlen. Auch Umulisa war von den furchtbaren Geschichten überrascht, die ihr afrikanische Mi­gran­t:in­nen erzählten – darunter auch einige, die von Rassismus, sexuellen Übergriffen und Depressionen in Deutschland berichten. Sie warnt deshalb davor, den Versprechungen in den sozialen Medien zu glauben. Schlimm sei es für diejenigen, die keinen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten, so Umulisa. So sei es schwierig, „ein eini­ger­maßen entspanntes Leben in der Fremde zu führen“.

Europa lässt es sich mittlerweile Milliarden kosten, die Migration aus Afrika „besser zu steuern“. Programme wie der Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika (EUTF Africa) dienen offiziell dazu, die „Ursachen irregulärer Migration“ zu bekämpfen. Doch wenn man genauer hinschaut, dann geht es vor allen darum, Mi­gran­t:in­nen und Flüchtlinge davon abzuhalten, über das Mittelmeer nach Europa einzureisen. Dazu wird die Außengrenze Europas nach Afrika ausgelagert. Eine Folge ist, dass es im wichtigen Transitland Libyen ständig zu schweren Menschenrechtsverletzungen kommt. Greift die von der EU unterstützte libysche Küstenwache Flüchtlinge auf See auf, werden sie in Internierungslager in dem Kri­sen­land zurückgebracht. Dort sind sie laut Amnesty International „systematisch Folter, sexueller Gewalt, Zwangsarbeit und anderer Ausbeutung“ ausgesetzt.

„Ohne Aufenthalts­er­laub­nis ist es beson­ders schwierig, in einem fremden Land ein einigermaßen entspanntes Leben zu führen“

Divine Umulisa, Autorin

Seit 2015, als viele Flüchtlinge kamen, ist die Debatte über Migration in Europa emotional stark aufgeladen. Laut Nadine Biehler von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) entsteht so ein „falscher Eindruck“ der Migrationsbewegungen zwischen beiden Kontinenten. „Legale Wege nach Europa sind für Afrikanerinnen und Afrikaner stark eingeschränkt.“ Aufgrund dieser restriktiven Migrationspolitik hätten sie kaum Chancen, ein Arbeits- oder Ausbildungsvisum für die EU zu erhalten. Biehler hält das für einen Feh­ler: Angesichts des Mangels an quali­fi­zier­ten Arbeitskräften in Europa und der hohen Jugendarbeitslosigkeit in vielen afrikanischen Ländern gebe es bei der Arbeitsmigration zwischen beiden Kontinenten eine „potenzielle Übereinstimmung der Interessen“.

Auch Divine Umulisa meint, dass die Politik gefragt sei: Die legale Migration nach Europa müsse erleichtert und die Chancen für Frauen in Afrika sollten verbessert werden.