: Der Imperativ des Playboys
THEORIE Ein Mann im Schlafanzug, umgeben von Häschen – was ist das für eine merkwürdige Fantasie? Beatriz Preciado sprach im Instituto Cervantes darüber, was Hugh Hefners „Playboy“ mit den Männern machte
VON CRISTINA NORD
Munter geht es los. Das Publikum im Instituto Cervantes lacht fröhlich auf, als sich Beatriz Preciado dagegen sträubt, wie ihr Gesprächspartner Dieter Ingenschay sie vorstellt. „Es nervt mich“, sagt die Philosophin, die an der Université de Paris VIII. lehrt, „dass du dich als Mann identifizieren sollst, und ich mich als Frau. Und dass wir dann hier so sitzen, du als Mann, ich als Frau.“
Ingenschay, Professor für spanische Literatur an der Humboldt Universität, äußert leisen Protest: „Ich bin ja nun auch nicht gerade der typische Mann.“ Darauf geht Preciado nicht weiter ein, zu beschäftigt ist sie, sich gegen die Zuschreibung „filósofa española“, spanische Philosophin, zu stemmen. Im Ton bleibt sie heiter-verspielt, in der Sache entschieden. Dabei ist Ingenschay der falsche Adressat für ihre Abwehr, schließlich kann er nichts für die spanische Grammatik, die verlangt, dass man mit jedem Adjektiv und mit jedem Substantiv Auskunft über das eigene und über das Geschlecht des Bezeichneten gibt.
Beatriz Preciado wurde 1970 in Burgos geboren und von Jesuiten in die Philosophie eingeführt. Sie besetzt heute einen Platz, den Judith Butler in den frühen neunziger Jahren innehatte. Zwar zieht sie kein Massenpublikum an wie einst die Philosophin aus Berkeley, als diese in der Staatsbibliothek über die Antigone-Lektüren von Hegel und Lacan sprach. Aber der Saal im Instituto Cervantes ist am Dienstagabend voll, gekommen sind vor allem Studenten und Studentinnen. Sie spenden dankbar Beifall, wenn Preciado Sätze sagt wie den, dass schwullesbische Identitätspolitik in eine Sackgasse führe, weil sie auf die Angleichung an die bürgerliche Norm ziele.
Das klingt ein wenig wohlfeil, und so, dass man meint, es schon am Samstag beim Transgenialen CSD in Kreuzberg wieder zu vernehmen. In einer kleinen Nische erntet man ungeteilte Zustimmung für solche Äußerungen, jenseits davon Unverständnis oder, schlimmer, Schulterzucken. Umso schöner ist es, wenn Preciado die Dichotomie von den unangepassten, widerständigen Queers und den verspießerten Heteros hinter sich lässt. Etwa wenn sie ausführt, warum Heterosexualität als Konzept höchstens noch in der katholischen Kirche existiert – Heterosexualität verstanden als Teil der Disziplinartechniken des 19. Jahrhunderts, die Sexualität und Reproduktion verkoppelten. Seit der Erfindung der Pille hat sich vieles verändert, und damit kommt das Gespräch Preciados aktuellem Buch „Pornotopia“ näher. „Pornotopia“ beschäftigt sich mit der Zeitschrift Playboy und damit, wie diese in den fünfziger Jahren, am Übergang von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft, auf die Lebens-, Design- und Architekturmodelle einwirkte und en passant eine neue Form männlicher Subjektivität schuf.
Man mag es seltsam finden, dass sich jemand, der der Queer Theory verbunden ist, mit einem Herrenmagazin befasst. Preciado sagt, ihr sei angesichts der Playboy-Stapel in ihrem Büro manchmal mulmig gewesen. Doch je mehr Details zur Sprache kommen, umso deutlicher wird, wie produktiv ihr dekonstruktivistischer Blick auf Hugh Hefners Magazin ist.
Toll etwa zu erfahren, dass Preciado, obwohl sie schon Testosteron-Experimente betrieben („Testo Yonqui“) und eine hinreißende Apologie des Dildos verfasst hat („Das kontrasexuelle Manifest“), nicht schlecht staunte, als sie entdeckte, dass ein Hohepriester der Heterosexualität wie Hugh Hefner eigentlich ziemlich bizarre Vorstellungen von Sexualität hatte: ein Mann im Schlafanzug, umgeben von Häschen – was ist das für eine merkwürdige Fantasie? Oder: Was ist der Playboy heute? Als Zeitschrift ein Relikt, sagt Preciado, längst verkauft sich das Heft nicht mehr gut. Das Geschäft werde mit den Merchandising-Produkten gemacht. Die Hauptkundschaft für die Häschen-Accessoires seien Mädchen in der Pubertät. Hefner hatte die Idee, den Mann von 45 Jahren in einen Jugendlichen zurückzuverwandeln, ihn aus Ehe, Familie und Vorstadtheim herauszulösen, damit er als Junggeselle zu einem „amoralischen Konsumenten“ werden könne. Heute also schwärmen echte Teenager für den Playboy.
Einmal will Ingenschay wissen, warum sich Preciado kaum für die Bunnies interessiere. Weil Hefners Heft viel stärker auf die männliche als auf die weibliche Subjektivität zugreife, antwortet sie. Der Imperativ des Playboy laute: „Lesen Sie, masturbieren Sie!“ Die nackten oder spärlich bekleideten Frauen auf den Bildern blieben davon unberührt, die Männer, in deren Fantasie Hefners Szenarien eindringen, ganz und gar nicht.