Live 8 ist ein Anfang für Afrika
: KOMMENTAR VON DOMINIC JOHNSON
Ja, man kann viel kritisieren an Live 8. Der Personenkult um Bob Geldof. Die Selbstinszenierung von Musikern, die sonst pro Auftritt mehr verdienen als die Durchschnittsafrikanerin im ganzen Leben. Die Heilserwartung an „acht Männer in einem Raum“, von denen angeblich die Zukunft der Welt abhängt und die beim G-8-Gipfel entscheiden sollen, ob am Tag 50.000 Menschen an Armut sterben oder nicht.
Ja, man kann auch viel herummäkeln an den Forderungen: Schuldenstreichung, verdoppelte Entwicklungshilfe, Handelsliberalisierung. Schaufelt man damit nicht Geld in die Taschen korrupter Eliten, fördert man damit nicht das Bild Afrikas als Opfer?
Und doch ist es ein beispielloser Erfolg, wenn zwei Millionen Menschen auf die Konzerte gehen und die halbe Weltbevölkerung zugeschaltet ist. Die Forderungen von Live 8 sind trotz aller Kritik richtig. Will denn ernsthaft jemand – außer vielleicht in Nordkorea – behaupten, Afrika wäre besser dran ohne fremde Hilfe, mit mehr Schulden und ohne Handel?
Die Bedenkenträger gegen Live 8 und Blairs Afrika-Hilfspläne sind zahlreich, vor allem in Deutschland und sogar in der Bundesregierung, die entsprechend negativ zum Gipfel auftritt. Aber welche Alternative bieten sie zu Geldof und Blair? Gar keine. Nur Bedenken eben, geäußert in einer besonders fatalistischen, verkehrt gedachten Form von Pragmatismus, der nicht das Machbare in den Vordergrund stellt, sondern immer nur die Gründe, warum etwas nichts bringt. Positive eigene Ideen? Fehlanzeige.
Solange das so ist, kann Afrika heilfroh sein, dass es Geldof und Blair gibt. Hinter ihren Impuls kann die Afrikapolitik nicht mehr zurückfallen. Das müsste ein großer Schub sein auch für jene, die berechtigte Skepsis gegenüber schnellen und großen Lösungen hegen. Die Afrika-Wendung von Live 8 und Blair bedeutet den Anschluss der Politik an den neuen globalisierungskritischen Internationalismus, der das Elend auf der Welt nicht mehr achselzuckend als gottgegeben und immerwährend hinnehmen will, sondern entschlossen ist, ihm ein Ende zu setzen. Man könnte es auch so sehen: Es ist besser, zu versuchen, die Welt zu verändern, als sie bloß zu verstehen.