: Mitchell-Mission stößt auf Granit
NAHOST-DIPLOMATIE Der Streit über den Siedlungsbau stellt ein Gipfeltreffen zwischen Obama, Netanjahu und Abbas kommende Woche infrage. Es geht um 455 neue Wohneinheiten
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Leicht machen es Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ihrem Gast aus den USA, Georg Mitchell, gerade nicht. Der Nahost-Sonderbeauftragte von US-Präsident Barack Obama verließ nach drei Stunden zähen Verhandlungen das Büro Netanjahus, ohne eine Einigung über eine Einstellung des Siedlungsbaus zu erreichen. Abbas seinerseits will mit den Israelis erst wieder Friedensverhandlungen aufnehmen, wenn der Siedlungsbau vollständig auf Eis liegt. Ob es in der nächsten Woche zu einem Dreiergipfel kommen wird, wie es Obama vorschwebt, wird von der Überzeugungskraft des US-Präsidenten und seines Teams abhängen.
„Ihr verdient ein normales Leben, und wir werden den Friedensprozess vorantreiben, um das sicherzustellen“, hatte Netanjahu noch vor wenigen Tagen den israelischen Siedlern versprochen. Sein Angebot an die USA ist ein temporärer Siedlungsbaustopp von neun Monaten. Obama möchte wenigstens zwölf. Unmut im Weißen Haus und noch mehr bei den Palästinensern hatte die jüngste Entscheidung der Regierung in Jerusalem ausgelöst, noch vor dem Baustopp 455 neue Wohneinheiten für israelische Familien im Westjordanland zu genehmigen.
Netanjahu steht innenpolitisch unter Druck. Nicht nur die Siedler laufen Sturm, seit er den temporären Baustopp in Aussicht stellte, auch die rechten Minister seiner Koaliton lehnen jeden Kompromiss gegenüber Obama ab. Abbas auf der anderen Seite sind nicht minder die Hände gebunden. Sollte er von seiner wiederholten Bedingung, den Bau der Siedlungen einzustellen, ablassen, Ostjerusalem inklusive, verliert er vor den Palästinensern wie vor den arabischen Verbündeten an Glaubwürdigkeit.
„Die israelische Entscheidung, den Bau von mehr als 450 neuen Siedlungseinheiten zu genehmigen, macht jeden Effekt zunichte, den ein Baustopp haben würde, sollte es ihn tatsächlich geben“, kommentierte Saeb Erikat, der palästinensische Verhandlungschef. Israel unterlaufe die internationalen Bemühungen, den Friedensprozess wiederzubeleben, und mache sich „unglaubwürdig als Partner für den Frieden“. Auch der ägyptische Präsident Hosni Mubarak verschärfte Anfang der Woche während eines Treffens in Kairo den Druck auf Netanjahu.
Neben den 455 in sogenannten Siedlungsblocks geplanten Wohneinheiten ist Ostjerusalem Hauptkonfliktpunkt. „Jerusalem wird geeint bleiben“, hatte Netanjahu vor einer Versammlung seiner Likud-Genossen versprochen. „Und Jerusalem ist Israels ewige Hauptstadt.“ Netanjahu lehnt vorläufig Verhandlungen über den Status Jerusalems und das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge ab.
Die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern liegen seit dem Krieg in Gaza vor neun Monaten auf Eis. Auf der Agenda der neuen Runde steht ein zeitlicher Rahmenplan für die Gründung des Staates Palästina innerhalb von zwei Jahren sowie der Verlauf der Grenzen. Die Palästinenser lehnen die Gründung ihres Staates in vorläufigen Grenzen ab. Allerdings kündigte Premierminister Salam Fayyad jüngst an, staatliche Institutionen aufzubauen und einen palästinensischen Staat de facto auszurufen, um auf diese Weise der Besatzung zu begegnen.
Alternativ zur Staatsgründung ist eine „frühe Anerkennung Palästinas“ im Gespräch, verbunden mit internationalen Garantien, dass sich der künftige Grenzverlauf an der Waffenstillstandslinie vom 4. Juni 1967 orientieren wird, wobei ein Landaustausch möglich bleiben soll.