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Archiv-Artikel

Ohne Sorge auf den Markt

Ortsämter und Amtsgerichte, Abaton-Kino und Krameramtsstuben: Senat bietet rund 180 städtische Immobilien zum Verkauf an, um die Löcher im Haushalt zu stopfen

Die guten Nachrichten zuerst: Die NS-Gedenkstätte Bullenhuser Damm, Kampnagel und die Gerichtsgebäude am Sievekingplatz bleiben in öffentlicher Hand. Sie gehören zu den 56 Objekten, von denen Hamburgs CDU-Senat sich selbst in Zeiten klammster Kassen nicht trennen mag. Gestern beschloss er, sie von der Liste der zu veräußernden städtischen Immobilien zu streichen. Mehr als 180 von der Sprinkenhof AG oder anderen städtischen Gesellschaften verwaltete Gebäude aber, dies die schlechte Nachricht, sollen verkauft werden. „Ein Portfolio“, schwärmt Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), „das bereits jetzt reges Interesse bei potenziellen Investoren geweckt hat.“

Abstoßen will die Stadt nach der Sommerpause einzeln oder in „Paketen“ unter anderem das Ohnsorg-Theater in den Großen Bleichen sowie eine sieben Häuser zählende Zeile in der Großen Freiheit, darunter das „Grünspan“. Der Gebäudekomplex am Grindelhof/Allende-Platz, in dem das Abaton-Kino beheimatet ist, soll ebenso zum Kauf angeboten werden wie die KFZ-Zulassungsstelle am Ausschläger Weg. Sämtliche Ortsämter und Ortsdienststellen stehen zum Verkauf und fast alle Amtsgerichte, der Gewerbehof an der Schanzenstraße, in dem die Volkshochschule und das 3001-Kino Mieter sind, und die historischen Krameramtsstuben am Krayenkamp.

Sogar vor Selbstveräußerung schreckt der Senat bei der Privatisierung nicht zurück. Justiz-, Wirtschafts- und Stadtentwicklungsbehörde sowie seine eigene Finanzbehörde am Gänsemarkt will Peiner feilbieten. Er privatisiere „lieber Immobilien als Unternehmen“, so seine Begründung, „weil die nicht in andere Städte verlagert werden können“.

Zumeist würden die Räume wieder von der Stadt angemietet, was nach Peiners Ansicht unterm Strich billiger sei. Dann würden „Flächen sparsamer kalkuliert“, was zu Kostensenkungen führe. Zudem werde Hamburg „von den Risiken künftiger Sanierungen entlastet“. Konkrete Zahlen über die erhofften Erlöse vermochte der Senat allerdings nicht zu nennen. Das sei „Verhandlungssache“, jedoch „das Marktumfeld zurzeit günstig“.

Die GAL forderte umgehend vertragliche „Sicherungsklauseln“, um Weiterverkäufe zu verhindern. Vor allem Gebäude, in denen soziale, kulturelle und Bildungseinrichtungen sitzen, dürften nicht Spekulanten zum Opfer fallen. Sonst drohe ihnen, so Stadtentwicklungspolitiker Claudius Lieven, „auf mittlere Sicht das Aus“.

Was in einem Fall so schlimm nicht wäre: Dass sich für das Doppelobjekt 7 und 8 auf der Paket-Liste ein Interessent findet, muss allerdings als fraglich gelten. Welcher wohlbeleumundete und im Zweifel internationale Investor will schon Geld ausgeben für den Erwerb der Ausländerbehörde. Sven-Michael Veit