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zwischen den rillenTagsüber komponieren, nachts Filme schauen

Mittlerweile insgesamt zwölf Studioalben, etliche EPs, Soundtracks und Mixtapes, eine stattliche Diskografie umfasst das Œuvre des US-Folkmusikers Sufjan Stevens. Und in fast jedem seiner Songs erzählt der 46-Jährige auch immer wieder von der Lust an kruden Querverbindungen. So findet man bei ihm Konzeptalben, die sich mit chinesischen Sternzeichen („Enjoy Your Rabbit“), US-Bundesstaaten („Michigan“, „Illinois“), einer Stadtautobahn in New York („The BQE“) oder gleich dem gesamten Sonnensystem („Planetarium“) beschäftigten, hintergründig aber geht es in seiner grenzgängerischen Musik immer wieder um Themen wie Gott, Tod, Verzweiflung und Liebe.

Nur passend, dass man jüngst auf seinem Blog auch Bilder der 1975 von Brian Eno und Peter Schmidt veröffentlichten „Oblique Strategies“ sehen konnte: ein Kartenset, das Kunstschaffenden, insbesondere im Bereich der Musik, mittels unerwarteter Assoziationen und Aphorismen dabei helfen sollte, den kreativen Horizont durch laterales Denken zu erweitern. Nun folgt mit „A Beginner’s Mind“ das nächste Werk, das schon im Albumtitel auf das zenbuddhistische Konzept des Shoshin verweist: die Haltung eines „Anfänger-Geistes“; alles so zu betrachten wie beim ersten Mal, ohne Vorurteile und Expertenwissen.

Fans werden beim Auftaktsong „Reach Out“ vermutlich erleichtert aufatmen: Engelsgleich erklingen dort zart gezupfte Saiteninstrumente, gesellen sich sanft gehauchte Stimmen dazu und nicht etwa elektronisches Beat-Gewitter, wie zuletzt auf „The Ascension“. Classic Sufjan also, dieses Mal in Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Singer-Songwriter Angelo De Augustine.

Während der Zusammenarbeit zwischen De Augustine und Stevens stellte sich rasch ein gewisser Rhythmus ein: tagsüber komponieren, nachts Filme schauen. Als jene thematisch immer stärker in die neuen Stücke überschwappten, machte das Duo sich den Filmbezug ganz bewusst zur Vorgabe.

14 Songs sind es geworden, ein jeder bezieht sich mehr oder weniger explizit auf einen bestimmten Film. Neben „She’s Gotta Have It“ und „Alles über Eva“ tauchen diverse US-Horrorstreifen auf – von „Hellraiser III“ bis zu „Night of the Living Dead“.

Musikalisch bewegt sich „A Beginner’s Mind“ oft in Sphären, für die Stevens bekannt wurde. Textlich geht es indes ans Eingemachte. In „Cimmerian Shade“ fleht Buffalo Bill, der Mörder aus „Das Schweigen der Lämmer“, den Regisseur an: „I just want you to love me […] Fix it all, Jonathan Demme.“ Die Texte erzählen von gebrochenen Leibern, zerrütteten Seelen, verzweifelten Antagonisten.

Dabei gelingt es Stevens und De Angelo, sich größtenteils von der oblique strategy, dem selbstgewählten Korsett, wieder zu lösen – die Filmquerverweise bleiben glücklicherweise moderat und existenzielle Fragen nach Sinn, Sühne, Tod und Erlösung nur lose an die Quellen der Inspiration angedockt. So ist „A Beginner’s Mind“ in seiner nachdenklichen Sensibilität vielleicht ganz nebenbei dann doch wieder ein zeitpolitisches Werk geworden, das oft einer Sinnsuche in der sich stetig selbst reflektierenden, postaufgeklärten Welt gleicht.

Daniel Urban

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